HPB – Die englische Revolution (2)

Autor: HPB

6.2 England unter Jakob I. und Karl I. bis 1641

Zum Zeitpunkt der Krönung Jakobs I. verdienten die Lieferanten von Rüstungsgütern, Munition, Uniformen und speziell der Marinewerften immer noch schönes Geld. Aber die Staatskasse war klamm und rüstete zunehmend auf Kredit. In Anbetracht der Gegenwehr Spaniens wuchs das Risiko des Seeraubs enorm. Wie Drakes letzte Kaperfahrt gezeigt hatte, konnte man auf einen Schlag ohne jeden Gewinn auch die ganze Investition verlieren. Obendrein bewiesen die Spanier mit ihren Anlandungen in Irland, wo sie Aufständische tatkräftig unterstützen, dass Britannien nicht unverwundbar war.
Was allein eine Schiffsladung des Fernhandels an edlen Gewürzen, Stoffen und Metallen wie die der „San Felipe“ einbrachte, war nicht zu verachten. War es da nicht besser, anstelle Soldaten, Waffen, Munition und jede Menge Trinkwasser und Verpflegung für den Seeraub an Bord zu nehmen, lieber gleich tauschfähige Waren aus England zu laden und als friedlicher Händler oder Kolonisator die Meere zu befahren? Es wuchs eine starke Fraktion reicher und einflussreicher Leute, die auf langfristige ertragreiche Investitionen in einem friedlichen Umfeld setzten. Man musste sich dazu nur mit Spanien einigen, was schließlich den Kern der Verhandlungen zum Londoner Friedensvertrag ausmachte.

Bereits im Vorfeld des Vertrages erließ Jakob 1603 ein Anti-Piraterie-Gesetz. Im Friedensabkommen einigte man sich auf einen Schadensausgleich für geplünderte Güter, die Unterstützung für die religiöse Opposition im Lande des Vertragspartners einzustellen und den Ärmelkanal sowie angrenzende Meere als Wasserstraßen frei zu geben. England beendete auch die Unterstützung der Sieben Provinzen der Niederlande.
1606 teilte Jakob I. die nordamerikanische Küste in zwei Kolonialgebiete. Die London Company erhielt die Länder vom 34. bis zum 41. Grad nördlicher Breite zugesprochen, die Plymouth Company anschließende bis zum 45. Grad. Beide Gesellschaften waren Teil der Virginia Company. 1607 gründete die London Company die Kolonie Jamestown, deren Entwicklung zunächst auf der Arbeit von Kolonisten, die sich zu 7-jähriger Leibeigenschaft verpflichteten, beruhte.
Bereits am 31.12.1600 hatte Elisabeth I. reichen Kaufleuten Londons einen Handelsfreibrief auf 15 Jahre für den Handel zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und der Magellanstraße, also dem Atlantik, ausgestellt. 1602 erreichten die ersten englischen Schiffe Aceh auf Sumatra. Weitere Handelsfahrten dorthin fanden 1604 und 1610 statt. 1608 konnte die erste Handelsniederlassung in Surat/Indien gegründet werden. 1609 erneuerte der König in freier Auslegung des Friedensvertrages mit Spanien das Handels-Privileg von Elisabeth I. ohne Befristung.
Die englischen Kauffahrer standen in direkter Konkurrenz mit portugiesischen und holländischen Expeditionen, wobei häufig die Ladung geraubt wurde. An der Westküste Indiens war seit 1509 (Seeschlacht vor Diu) Portugal mit Kolonien (Goa 1510, Bombay 1534, Diu 1535 und Daman 1559) sehr aktiv und bestrebt, englische Konkurrenten von dort fern zu halten. 1615 ging eine diplomatische Gesandtschaft Jakobs I. an den Hof des Großmoguln auf Reise, um diplomatische Beziehungen herzustellen und einen Handelsvertrag zu vereinbaren. Der zustande gekommene Vertrag gestattete den Engländern die volle Handels- und Niederlassungsfreiheit an allen Küsten des Mogul-Reiches, das damals etwa 75 Prozent der Landflächen des heutigen Indiens, Pakistans und Bangla Deshs umfasste, und damit eine bevorzugte Rechtsstellung gegenüber allen anderen europäischen Konkurrenten.

Der friedliche Handel wurde sehr ertragreich für England. Importiert wurde vorwiegend Baumwolle, Seide, Tee, Indigo-Farbstoffe, Salpeter und auch Gewürze. Im Gegenzug wünschte der Mogulkaiser europäische Luxusgüter und hochwertige Waren. Während der Regierungszeit Jakobs I. bis 1625 wuchs die Bevölkerung etwa um 10 Prozent auf mehr als viereinhalb Millionen Engländer. Die innere Nachfrage nach Produkten von Landwirtschaft und Fischerei stieg rasch an, ebenso nach Textilien und Leistungen für den Bau und die Ausrüstung von Hochseeschiffen. Die Verarbeitung der hochwertigen Rohwaren aus Übersee stellte besondere Anforderungen. Vor allem die Metropole London mit ihrer wachsenden Einwohnerzahl von 200.000 um 1600 auf mehr als 250.000 um 1625 wurde zu einem Punkt, wo sich Menschen, unternehmerischer Erfindergeist, Kapitalien, konsumtive Nachfrage und Investitionen ballten, die die wirtschaftliche Entwicklung im Inneren wie auch nach außen antrieben.
Der Ostindien-Handel brachte den Beteiligten exorbitante Gewinne ein. Demgegenüber floppte die Kolonisation in Virginia . Anstatt dass die Kolonisten mehrere Sorten exportfähiger Produkte erzeugten, verließen sie sich auf den Tabakanbau. Obendrein wollten sie ihre indianischen Nachbarn zwangsbekehren und raubten sogar deren Kinder, um sie anglikanisch zu indoktrinieren. Das führte zu Krieg und Opfern auf beiden Seiten und schier endlosen Kapital-Nachschüssen der Eigner.
Vielen Wohlhabenden in London waren die Extraprofite der privilegierten Ostindienhandels-Beteiligten (nur 125 Teilhaber) ein Dorn im Auge, während sie selbst nur mühselig ihre Geschäft profitabel hielten. Das Parlament wurde zur Bühne für derartige Interessenkonflikte und Vieles mehr.
König Jakob I. hatte bis zu seinem Ableben am 27. März 1625 ein vorwiegend gespanntes Verhältnis zum Londoner Parlament, das ihm finanziell sehr enge Grenzen setzte und manche Entscheidungen vorschrieb, die mit seiner Vorstellung von einem Gott gegebenen Königtums kollidierten, so auch die Ehe seines Thronfolgers mit einer spanischen Prinzessin betreffend. Als der König starb, verdankten die Engländer und Schotten ihm eine Zeit des Friedens von mehr als 20 Jahren. Das Urteil der Engländer über ihn fiel je Interessenlage sehr unterschiedlich aus. Den Schotten hingegen galt er als einer der Besten.

Nachfolger Karl I. erbte von Jakob I. ein Bündnis mit der protestantischen Union im Heiligen Römischen Reich von 1612 und den Konflikt um die Pfalz. Sein Schwager – Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz – war nach dem Fenstersturz zu Prag (1618) im November 1619 zum König von Böhmen gewählt und ein Jahr später durch die Streitmacht der katholischen Liga im Auftrag des Kaisers von dort vertrieben worden. Der Kaiser verhängte die Reichs-Acht über ihn. Seit 1620 war die Pfalz bei Rhein von spanischen Truppen besetzt, die Oberpfalz nahe Böhmen von Truppen der katholischen Liga.
Nachdem alle Ehe-Bestrebungen mit Spanien für den Thronfolger gescheitert waren, hatte sich Jakob I. eine Ehe mit einer französischen Prinzessin parlamentarisch absegnen lassen. Die dafür freigegebenen Finanzmittel stellte er dem Grafen von Mansfeld für die Anwerbung und Ausrüstung eines protestantischen Heeres zur Verfügung, das mit niederländischer Hilfe die Pfalz befreien sollte. Auch Frankreich stellte Hilfsgelder bereit, so dass im Herbst 1624 in England ein neues Heer angeworben und im Januar 1625 in die Sieben Provinzen der Niederlande transportiert werden konnte und schließlich nach tatenlosen Monaten in den Dienst des dänischen Königs Christian IV. trat. Jakob I. hatte genau wie der französische König laviert, um einen direkten Konflikt mit Spanien zu vermeiden und dennoch die protestantischen Kräfte im Heiligen Römischen Reich zu unterstützen. War er doch Zeuge des langen Krieges mit Spanien gewesen und musste 1604 die Scherben Elisabeths I. beseitigen.

Im Unterschied zu Jakob I. hatte sein Nachfolger Karl I. keinerlei Kriegserfahrungen und stürzte sich in jugendlichem Elan Hals über Kopf ohne Kenntnis der Risiken in das vermeintlich gewinnbringende Abenteuer. Noch im April 1625 ließ er eine Kommission unter Leitung des Herzogs von Buckingham die Leitlinien der künftigen Außenpolitik bestimmen, die auf Krieg gegen Spanien und Bündnisse mit Frankreich, den Sieben Provinzen der Niederlande und anderen protestantischen Mächten zielte.
Mit der Verabschiedung des Ehevertrages zwischen der englischen und der französischen Krone nahm im Mai 1625 die Allianz mit Frankreich Gestalt an. Am 13. Juni 1625 heirateten Karl I. und Henriette Marie de Bourbon. Die Krönung erfolgte am 02. Februar 1626 in der Westminster Abbey.
Bereits Ende April 1625 ließ Karl die ersten Kaperbriefe für den Seekrieg gegen Spanien ausstellen. Gleichzeitig unterstellte er die Mansfeldschen Truppen in den Niederlanden dem dänischen König zur Kriegführung im Heiligen Römischen Reich und zahlte einen Vorschuss auf den Sold..Am 18. September kam der Vertrag von Southampton mit den Sieben Provinzen der Niederlande zustande, der einen gemeinsamen Kriegszug gegen Spanien vorsah. Der aggressive Kurs der neuen Regierung löste bei den englischen Untertanen mehrheitlich Ablehnung aus. Das Parlament begrenzte die Kriegsausgaben daher strikt.
Schon im Oktober 1625 fuhr eine große englische Flotte, die mehrheitlich aus bewaffneten Handelsschiffen und schlecht ausgebildeten Mannschaften bestand, nach Spanien, um die Hafenstadt Cadiz zu erobern, die spanische Silberflotte abzufangen und so reiche Beute zu machen, dass aus den Erträgen die weitere Kriegführung finanzierbar war. Obwohl die vorübergehende Einnahme von Cadiz gelang, wurde das Unternehmen aufgrund mangelnder Truppendisziplin und hoher Verluste zu einem kolossalen Fehlschlag, wodurch Karl die Freiheit des Handelns im Verhältnis zum Parlament wieder verlor. Mit der Haager Allianz vom 19.12.1625 zwischen England, den Sieben Provinzen der Niederlande, Dänemark und protestantischen Fürsten Norddeutschlands schmiedete er ein neues Kriegsbündnis.
Bereits 1627 zerbrach die Allianz mit Frankreich. Am 04. August begann die Belagerung der hugenottischen Hafenstadt La Rochelle durch königlich-katholische Truppen. Der Herzog von Buckingham ließ den Hugenotten englische Hilfe (Landungstruppen, Nachschub an Proviant und Munition) zukommen und verwickelte England in einen Krieg mit Frankreich, der bis 1628 andauerte. Spätestens 1628 scheiterte auch die Haager Allianz mit den Niederlagen Christian IV. gegen Wallenstein und Tilly, was im Frieden von Lübeck (22.05.1629) beurkundet wurde.
Weder Londoner Parlament noch Untertanen stimmten mit solch „sprunghafter Politik“ des Königs und seiner Günstlinge überein. Wo immer es den König finanziell bändigen konnte, setzte das Londoner Parlament seine Vollmachten ein. Bereits 1625 hatte man ihm nur für ein Jahr die Hafenzölle überlassen, worauf hin der König das widerspenstige Parlament auflöste.
In seiner Finanznot kam Karl I. nun auf die Idee, ohne jegliche Begründung und unter Bezug auf das ihm gewährte Vorrecht des „Habeas Corpus“ reiche Bürger in Haft zu nehmen und Lösezahlungen zu erpressen, ein Verfahren, das 390 Jahre später auch in Saudi Arabien durch MBS praktiziert wurde. Dem setzte das 1628 wieder einberufene Parlament die „Petition of Right“ entgegen, um den König zur öffentlichen Begründung von Verhaftungen zu zwingen und dadurch die Herrscher-Willkür zu beenden. Zwar bestätigte Karl I. die Petition wie gefordert, um an die im Gegenzug versprochenen Gelder – u. a. Hafeneinnahmen und Schiffbausteuer – zu gelangen, doch änderte er nichts am Handeln der Regierung. Ab 1629 regierte er bis 1640 für elf Jahre ohne Einberufung des Parlamentes.

Die Ursprünge des englischen Parlamentes reichen in die Zeit von Richard Löwenherz im 12. Jahrhundert zurück. Damals regierte während der Abwesenheit des Königs (Kreuzzug und Gefangenschaft im Heiligen Römischen Reich) sein jüngerer Bruder Johann (der berüchtigte Prinz John aus den Robin-Hood-Filmen), genannt Johann ohne Land, weil ihm die Plantagenet-Besitzungen in Frankreich verloren gegangen waren. Der Hochadel setzte gegenüber dem Regenten erste Kontrollrechte (in Form eines Kronrates) durch, die dessen Willkür beschränkten. Mit den „Provisions of Oxford“ erhielt der Hochadel 1258/59 Rechte zur Kontrolle der königlichen Verwaltung in England. Am 20. Januar 1265 trat erstmals „de Montfort’s Parliament“ zusammen, eine Vertretung der Grafschaften, Städte und Gemeinden, worin Geistlichkeit, niederer Adel und Bürger Sitz und Stimme hatten. Der Hochadel tat sich zwar mit dem König zusammen, um das rückgängig zu machen, besiegte sogar die Opponenten der niederen Stände im August 1265. Doch ab 1275 wurde unter dem Nachfolger Eduard I. de facto das Parlament entsprechend dem Regelwerk Simon de Montfort’s einberufen. Das Verfahren erhielt 1295 ausdrücklich königliche Billigung. Fortan gab es das „House of Lords“ des Hochadels und das „House of Commons“ der niederen Stände in ihren Keimformen.

Nach der Ermordung des 1. Duke of Buckingham, George Villiers, am 23. August 1628 und mangels Geld zog sich Karl I. notgedrungen aus den europäischen Kriegen zurück. 1630 schloss er Frieden mit Spanien.

Zu einer Schlüsselfigur im Konflikt zwischen Karl I. und dem Parlament wurde Thomas Wentworth, 1. Earl of Strafford. Bis 1628 vertrat Wentworth im Parlament nachdrücklich die antikönigliche Opposition und gehörte zu den Wegbereitern der „Petition of Right“. Nachdem der König die Petition gebilligt hatte, söhnte sich Wentworth mit der Krone aus und trat in den Staatsdienst, während andere Abgeordnete noch radikalere Forderungen an den König richteten.
Quasi übernahm er die Funktion eines Revisors des Nordischen Rates, der unter Leitung des Earl of Sunderland die nordenglischen Gebiete verwaltete, in denen viele Katholiken ansässig waren. Wentworth ermittelte, dass der Präsident des Rates und dessen Stellvertreter sich von Katholiken um bestimmter Vorteile, Zugeständnisse und Nachsichtigkeit willen bestechen ließen. Er gab diese Praktiken dem König zur Kenntnis und wurde darauf hin zum neuen Präsidenten des Nordischen Rates bestimmt. Bis 1632 merzte Wentworth die Korruption dort aus und bemühte sich um gleiches Recht für die Gläubigen aller Konfessionen. Danach wurde er zum Lord Deputy von Irland ernannt. Als solcher setzte er zwar eine strikte Politik zugunsten England durch, jedoch kam er den Iren in katholischen Glaubensangelegenheiten entgegen. Das sicherte Thomas Wentworth die Akzeptanz der irischen Untertanen Seiner Majestät, die ihn diesbezüglich als ihren Garanten und jeden politischen Angriff auf ihn als Ouvertüre zur Einschränkung ihrer religiösen Freiheit verstanden.

Die elfjährige Regierungszeit Karl I. ohne Parlament fand unter eigenartigen Umständen statt. Einerseits florierte der Ostindienhandel, musste sich aber der niederländischen Konkurrenz erwehren, die in Java immer bestimmender wurde. Solange die Häfen genügend Einnahmen abwarfen, konnte der wachsende Finanzbedarf des Königs gedeckt werden.
Ab 1630 trat Schweden unter Gustav Adolf (mit französischen Subsidien) in den Krieg im Heiligen Römischen Reich auf protestantischer Seite ein. Zu jenem Zeitpunkt lag das Wallensteinsche Heer mit ca. 100.000 Söldnern in protestantischen, norddeutschen Landen und hielt sich mit Kontributionen schadlos. Lag der englische Handel mit Norddeutschland schon dadurch im argen, so brachte das Eintreffen Gustav Adolfs zwar eine Wende auf dem Kriegsschauplatz, aber keine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Verheerungen und der Bevölkerungsrückgang setzten sich fort.
1635 verbündeten sich die Sieben Provinzen der Niederlande und Frankreich zum Krieg gegen Spanien, um Spanien aus dem Südteil der Niederlande zu vertreiben. Trotz vorübergehender Erfolge scheiterte das Unterfangen. Die Niederlande schlossen mit Spanien 1648 Frieden (Westfälischer Frieden), Frankreich erst 1655 (Pyrenäenfrieden). Obwohl dabei mancher finanzieller Kriegsgewinn erzielt wurde, litten die Staatsfinanzen und die Wirtschaftskraft aller Kriegsbeteiligten.

Seit 1570 machte sich in Mitteleuropa ein stetiger Temperatur-Rückgang bemerkbar. Kalte und lange Winter reihten sich mit kühlen und nassen Sommern aneinander (kleine Eiszeit). Verkürzte Vegetationszeiten erschwerten die Aussaat und ließen die Ernte verfaulen. Hungersnöte der inzwischen deutlich gewachsenen Bevölkerung mehrten sich. Die Suche nach den Schuldigen endete oft bei den Andersgläubigen, auf die sich Misstrauen und Hass zu richten begann, was zusätzlichen Konfliktstoff für Religionskriege anhäufte.
Auch England und Schottland blieben davon nicht verschont. Die königlichen Einnahmen blieben hinter den finanziellen Bedürfnissen zurück. Konflikte zwischen den Katholiken und Presbyterianern nahmen zu, ebenso zwischen englischen und schottischen Presbyterianern, innerhalb der anglikanischen Kirche zwischen Puritanern und ihren Gegnern usw. Alle gesellschaftlichen Kräfte balgten sich um die knapper werdenden Ressourcen oder drängten auf Reformen, um den Mangel friedlich auszugleichen.

Karl I. goss Öl ins Feuer, als er ab 1637 versuchte, die schottische Kirche nach englischem Vorbild zu reformieren. Er setzte per Edikt aus London neue Bischöfe ein und drang auf die Einführung eines neuen Gebetbuches. Noch während der Einführungszeremonie in der St.-Giles-Kathedrale von Edinburgh brach sich der Protest der Gläubigen Bahn, indem eine zornige Marktfrau ihren Stuhl nach dem Prediger warf. Der Protest wuchs zu einer starken Opposition, die sich zur Erhaltung des bestehenden Presbyterianismus verpflichtete.
Königliche Dekrete aus London brachte die Oppositionellen in Edinburgh nicht zum Einlenken, weshalb sich Karl I. 1638 zum militärischen Vorgehen entschloss. Um eine neue Armee auszuheben, benötigte er Zeit, die ihm die Einberufung der Generalversammlung der schottischen Kirche verschaffen sollte. Die Generalversammlung trat im November 1638 zusammen. Sie entschied entgegen den Vorstellungen des Königs, indem sie zwei von ihm berufene Bischöfe exkommunizierte und das neue Gebetbuch verwarf.
Im gleichen Jahr kehrte der seit 1605 in schwedischen Diensten – zuletzt als Feldmarschall – stehende Alexander Leslie nach Schottland zurück und stellte sich dem militärischen Arm der Opposition, den „Covenanters“ zur Verfügung.
Karl I. zog im Sommer 1639 mit seiner – trotz finanzieller Engpässe – neu ausgehobenen Armee (ca. 20.000 Soldaten) nach Schottland und traf an der Grenze auf eine gut gerüstete Streitmacht der Covenanters unter Alexander Leslie. Die Gegner verzichteten auf ein militärisches Kräftemessen und einigten sich auf eine Friedensvereinbarung, wozu das schottische Parlament und erneut die Generalversammlung der Kirche von Schottland einberufen wurden. Aber alle Hoffnungen des Königs auf Kompromisse gingen fehl, denn das schottische Parlament sagte sich von Karl I. los und die Generalversammlung der Kirche bekräftigte die früher gefassten Beschlüsse.
Um die dynastisch und staatsrechtlich missliche Lage zu heilen, wandte sich das schottische Parlament zwecks Vermittlung mit seinem König an Ludwig XIII. von Frankreich. Der Parlaments-Brief gelangte auch in die Hände Karls I. Zu diesem Zeitpunkt war die finanzielle Lage des Königs überaus angespannt, was die Einberufung des englischen Parlamentes äußerst dringlich machte. Mit dem schottischen Brief in der Hand, den er als Hochverrat auslegte, glaubte Karl I., eine Trumpf zu besitzen, mit dem er das Parlament zu finanziellen Zugeständnissen bewegen könne.
Im April 1640 tagte das englische Parlament, ohne dem Schottenbrief große Bedeutung beizumessen. Viel wichtiger war den Parlamentariern, die ärgerliche Schiffbausteuer abzuschaffen, die englische Schiffe gegenüber den Niederländischen erheblich verteuerte und den englischen Handel benachteiligte. Außerdem verlangte es nach einer auf Sparsamkeit zielende Reform der Kirchenstruktur. Das ging dem König zu weit. Er löste das Parlament wieder auf (deshalb als „kurzes Parlament“ bezeichnet) und bereitete einen neuen Krieg gegen Schottland vor, der als zweiter Bischofskrieg in die Geschichte einging.

Karl I. zog sich aus der aktiven Politik zurück und überließ die Geschäfte seinem neuen Hauptberater, Thomas Wentworth. Dieser kümmerte sich um Finanzen und Ausrüstungen für die Armee. Aus Zeitnot kamen jedoch Ausbildung, Auswahl geeigneter Offizierskader und funktionsfähige Befehlsketten zu kurz. Als die englische Armee nach Norden zog, verfügte sie weder über die nötige Moral, Disziplin oder Kampfkraft für einen Sieg in der Schlacht. Am Grenzfluss Tweed stieß sie auf Alexander Leslies Streitmacht, der diesmal den Fluss forcieren ließ und zum Angriff überging. Die Engländer ergriffen panisch die Flucht. In der Schlacht von Newburn am 28.08.1640 siegte die Schotten ebenfalls und besetzten anschließend Newcastle, den Hafen, über den London mit Kohle versorgt wurde. Zudem auch die Grafschaften Northumberland und Durham, was neue Verhandlungen erzwang. Am 28. Oktober 1640 wurde der Frieden zu Ripon geschlossen, der den Schotten die besetzten Grafschaften bis zur Zahlung der Kriegsentschädigung durch England als Pfand beließ. Das gab die Schatulle des Königs nicht mehr her. Während dieser Ausgang Thomas Wentworths Stern am politischen Himmel als nunmehr willkommenen Sündenbock sinken ließ, musste erneut das englische Parlament einberufen werden.

Am 03. November 1640 trat das englische Parlament wieder zusammen und forderte die Abberufung der königlichen Berater Thomas Wentworth und William Laud (Erzbischof von Canterbury), die es für die Schuldigen am Desaster in Schottland hielt. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Wentworth vor dem Oberhaus endete mit Freispruch. Jedoch verurteilte ihn das Unterhaus kurz darauf mit „Bill of attainder“ – der strafrechtlichen Verurteilung einer Person durch das Parlament – zum Tode.Der Vorwurf lautete auf Hochverrat, indem Wentworth 1640 angeblich irische Truppen gegen englische aufgestachelt hatte und somit für die Niederlage gegen Schottland verantwortlich sei. Wie die Lords zweifelsfrei feststellten, war der Vorwurf aus der Luft gegriffen, um den Angeklagten zu diskreditieren. Aber das Londoner Volk und das Unterhaus verlangten in aufgeheizter öffentlicher Atmosphäre nach einen Schuldigen, wofür ihnen der wichtigste Berater des Königs gerade recht war..
Aus Furcht um seine Herrschaft stimmte der König der Urteilsvollstreckung zu. Am 12. Mai 1641 wurde Thomas Wentworth hingerichtet. Zudem sicherte Karl I. zu, das Parlament alle drei Jahre einzuberufen und nicht ohne dessen Zustimmung aufzulösen. Missliebige Regierungsinstitutionen wie der „Star Chamber“ und die „Hohe Kommission“ wurden liquidiert.
Das falsche Urteil mit falscher Anklage und falschen Beweisen über Thomas Wenthworth wurde von den aufgehetzten Massen der Engländer bejubelt. Ebenso wie die Lords meinten viele Iren, dass es sich dabei nur um einen böswilligen Justiz-Irrtum handeln könne, der von puritanischen Scharfmachern angezettelt wurde. Ihr Lord Deputy Wentworth hatte sich acht Jahre lang und erfolgreich um bessere Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten in Irland bemüht. Und ausgerechnet er sollte Unfrieden zwischen irischen und englischen Truppen gestiftet haben? „Was für ein Nonsens“, urteilten diejenigen, die auf irischer Seite vor Ort dabei waren. Die puritanische Stimmungsmache in London und das Knistern im Staatsgebälk fachte die irischen Ängste vor den Engländern und den Hass über frühere Misshandlungen an.

Nachdem Karl I. in London die Forderungen von Parlament und Volk weitgehend erfüllt hatte, reiste er im Bestreben um Rückhalt im Herbst 1641 nach Schottland. Er bestätigte die Beschlüsse der Generalversammlung der Kirche von Schottland aus dem Jahr 1638 und ebenso die Beschlüsse des schottischen Parlamentes von 1641. Alexander Leslie verlieh er die Adelstitel „Lord Balgonie“ und „1. Earl of Leven“ und ernannte ihn zum Hauptmann des Schlosses Edinburgh sowie zu seinem Berater. Somit waren vorerst alle Konflikte in Schottland gelöst.

Während dessen reifte in Irland eine Rebellion heran, die durch akute Ängste vor den Machtveränderungen in London gespeist wurde und alte Konflikte neu entzündete.
Schon seit dem 16. Jahrhundert teilte sich die Bevölkerung in die alt-irisch-Stämmische vorwiegend Katholische und die alt-Englische (normannische) und neu-Englische vorwiegend Protestantische aus späterer Ansiedlung. Zu Zeiten des Lord Deputy Wentworth konnten die konfessionellen Gegensätze weiter entschärft werden, so dass friedliches Zusammenleben einschließlich interkonfessioneller Eheschließungen und des kulturellen Austauschs zwischen beiden möglich wurde.

Im Zuge der englischen Eroberung Irlands im 16. und 17. Jahrhundert wurden sogenannte „Plantations“ durchgeführt – großflächige Landenteignungen irischer Grundbesitzer mit dem Ziel, dort Engländer und Schotten neu anzusiedeln. In Ulster war der einheimischen Bevölkerung weder der Besitz oder die Verpachtung von Land, noch darauf zu siedeln, erlaubt. Den alteingesessenen Clans Nordirlands wie den O’Neills blieb nur die Möglichkeit der Auswanderung oder in den Dienst katholischer Majestäten in Spanien und Frankreich zu treten.
Auch in Irland hatte die anglikanische Kirche den Status der Staatskirche. Alle Kathedralen und Pfarrkirchen gehörten der anglikanischen „Church of Ireland“. Wer nicht zum Gottesdienst erschien, musste mit Geldbuße und Inhaftierung rechnen. Staatsämter und Armeedienst waren Katholiken verwehrt. Der Staatsrat wurde von Protestanten dominiert; das irische Parlament unterstand dem englischen Parlament.
Aufgrund der Siedler-Dominanz war das irische Parlament in erster Linie ein Machtinstrument der weiteren Ansiedlung von Protestanten, indem es die irischen Adelstitel und Landrechte nicht anerkannte, um weitere Enteignungen zu erleichtern.
Schon bei Jakob I. hatten Vertreter des irischen Adels um Anerkennung ihrer alten Rechte und des katholischen Glaubens ersucht und waren im Gegenzug zu höheren Steuerzahlungen und treuer Gefolgschaft des königlichen Souveräns bereit gewesen. In einigen Konfliktpunkten war man sich einig geworden. Unter Karl I. wurde die offizielle Anerkennung des katholischen Glaubens gegen höhere Steuerzahlung vereinbart. Die höheren Zahlungen erfolgten, ohne dass der König sofort und gegen den Widerstand der Protestanten die versprochenen Reformen durchsetzte. Lord Deputy Wentworth hatte diese Vereinbarung zwar eingefädelt und Karl I. damit neue Einnahmen verschafft, doch am Ende seiner Amtszeit richtete sich wachsende Opposition beider Konfessionen gegen ihn. Seitens der Protestanten, weil er deren Vorrechte beschneiden wollte, und seitens der Katholiken, weil sie bisher vergebens auf die versprochenen Zugeständnisse warteten. Um Zeit zu gewinnen und die Iren ruhig zu stellen, drohte er sogar damit, notfalls die Plantations wieder aufzunehmen. Ein fatales Signal an beide Seiten.
Zudem hatten sich sowohl im englischen wie auch im schottischen Parlament radikale protestantische Kräfte durchgesetzt, denen der irische Katholizismus ein Dorn im Auge war und die nicht mit offenen Drohungen sparten. Die Missernte im Herbst 1641 trug dazu bei, die Lebensbedingungen und gesellschaftliche Stimmungen weiter zu verschlechtern.

Als Ausweg in dieser Lage plante eine irische Verschwörergruppe aus Ulster die Machtergreifung in Dublin, Belfast und anderen Städten, um aus einer Position der Stärke heraus vom König eine echte politische Autonomie und die offizielle Gleichberechtigung der Katholiken für Irland zu erreichen. Was als unblutiger Putsch geplant war, schlug fehl, da wichtige Anführer durch Verrat bereits vorher verhaftet wurden.
Nur im Norden begann am 23. Oktober 1641 eine militärische Formation unter Felim O’Neill mit der Einnahme befestigter Plätze, wobei O’Neill vorgab, im Namen des Königs zu handeln.
In Verkennung der Tatsachen hielt die Dubliner Regierung die Aktion für die Vorboten eines allgemeinen irischen Volksaufstandes und sandte protestantische Milizen, die zu rigorosen und willkürlichen Übergriffen auf unbeteiligte Katholiken neigten. Übergriffe und Gegenwehr führten zum Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in Ulster. Weder Felim O’Neill noch die anderen Anführer der Aufständischen konnten verhindern, dass sich nun zunehmend religiös, ethnisch und durch langjährige Unterdrückung motivierte Gewaltakte gegen englische und schottische Siedler richteten. Erst als Prügel und dann als Mord und Totschlag. Niemand ahnte zu jenem Zeitpunkt, dass englische Zeitungen später von 100.000 protestantischen Opfern – Männern, Frauen und Kindern – titeln würden, während konservative Schätzungen heute 12.500 Opfer auflisten.
Der Aufstand breitete sich über ganz Irland aus, so dass die Regierung bald nur noch das Umfeld Dublins kontrollierte. Auch irische Lords traten dem Aufstand bei und trachteten nach dessen politischer Führung.

Von Seiten der Iren hörte die blinde Gewalt gegen protestantische Zivilisten erst nach der Ankunft Eogan Rua O’Neills Ende Juli 1642 allmählich auf. Rua O’Neill kam gemeinsam mit 300 irischen Veteranen der spanischen Armee nach Irland, um den Befreiungskampf zu führen und sorgte bald für die nötige Disziplin der Truppen, denn er verfügte über vierzigjährige Kampf- und Kommando-Erfahrung im irischen Regiment der spanischen Armee.

6.3 Bürgerkrieg und Revolution in England

Die Ereignisse in Irland versetzten das Londoner Parlament in Aufruhr. Karl I. ersuchte es um Freigabe von Finanzmitteln für eine neu auszuhebende Armee, um den Aufstand gewaltsam niederzuschlagen. Die königliche Vorlage wurde zügig genehmigt. Doch die Überlegung, dass die siegreiche Irland-Armee in den Händen des Königs zu einem gehorsamen Machtinstrument gegen das Parlament werden könnte, bereitete führenden Parlamentariern um John Pym schlaflose Nächte.
Um dem König den Oberbefehl über die Armee zu entziehen und diese der Befehlsgewalt des Parlamentes zu unterstellen, verfassten sie die „große Remonstranz“, eine in 204 Artikeln gegliederte Auflistung aller Verfehlungen des Königs aus der Sicht der Parlamentarier seit dessen Amtsantritt 1625. Das Dokument diente als Streit-, Rechtfertigungs- und Propagandaschrift, um Karl I. unter Druck zu setzen und das Londoner Volk dafür zu mobilisieren. Am 22. /23. November 1641 wurde die „große Remonstranz“ im Parlament diskutiert. Zwar war man sich über die königlichen Verfehlungen einig, jedoch nicht über die beabsichtigten Konsequenzen hinsichtlich der Entmachtung des Königs. Viele Abgeordnete verstanden die Exekutivgewalt als ein von Gott gegebenes geschütztes Vorrecht der Krone.
Die Befürworter erzielten bei der Abstimmung nur eine knappen Sieg. Anstatt das Parlament als Waffe gegen die Krone zu einigen und zu schärfen, schied es die Parlamentarier in zwei fast gleich starke Fraktionen. Eine königstreue und eine revolutionäre Fraktion, wobei die königsfeindlichen Revolutionäre das Gros der rebellischen Londoner auf ihrer Seite hatten.

Karl I. lehnte die Forderungen der Parlamentsmehrheit ab. Am 04. Januar 1642 erschien er mit bewaffneter Eskorte im Parlamentsgebäude, um die Anführer der Feindfraktion zu verhaften. Die Aktion schlug fehl und sorgte für öffentliche Empörung. Der König eilte angesichts dessen nach Oxford, um dort außer Gefahr seine Anhänger zu sammeln und zum Kampf gegen das Parlament zu rüsten. Unterdessen begann auch das Parlament mit der Aufstellung einer Armee.

Anfänglich bestand royalistischer Rückhalt in Wales, Cornwall und den nördlichen Grafschaften. Der Südosten um London wurde vom Parlament kontrolliert. Dazwischen befanden sich größere Regionen, die sich als neutral erklärt hatten. Erste größere Kampfhandlungen fanden bei der royalistischen Belagerung der Stadt Kingston upon Hull im Nordosten statt, die am 11. Oktober 1642 aber ergebnislos abgebrochen wurde. Am 23. Oktober fand die Schlacht bei Edgehill zwischen den royalistischen und parlamentarischen Streitkräften statt, die ebenfalls sieglos endete. Der König zögerte mit dem Marsch auf London und zog seine Truppen auf Oxford zurück, um dort zu überwintern.
1643 wurden royalistische Truppen von Cornwall offensiv und nahmen Devon, Dorset und Somerset ein. Ab 26. Juli belagerten und eroberten sie Bristol, das bis 1645 unter royalistischer Kontrolle blieb. Die am 09. August begonnene Belagerung des benachbarten Gloucesters musste am 05. September 1643 wegen der Ankunft eines parlamentarischen Entsatzheeres beendet werden. Am 20. September fand noch eine Schlacht bei Newbury statt, die unentschieden ausging.

Für die weiteren Kampfhandlungen spielten auch schottische und irische Truppen eine zunehmende Rolle. Schottland hielt sich zunächst aus dem englischen Bürgerkrieg heraus. Aber das Töten von schottischen Protestanten – vor allem im nordirischen Ulster – wollte es nicht zulassen. Im April 1642 landete ein Heer der schottischen Covenanters in Irland und zwang Rua O’Neill, das zentrale Ulster zu verlassen. Bis 1646 bestand dort eine militärische Patt-Situation, die erst durch die Schlacht von Benburb am 05. Juni 1646 zugunsten der irischen Streitkräfte entschieden wurde.
Maßgeblich für dieses Patt war die Entscheidung Alexander Leslies von 1643, sich auf die Seite des englischen Parlamentes zu schlagen und mit der Hauptstreitmacht der Covenanters ab 1644 in England zu kämpfen. Sein Mitstreiter in den Bischofskriegen, James Graham, 1. Marquess of Montrose, blieb jedoch dem König treu und wurde zum General der königlichen Streitkräfte in Schottland ernannt. Nachdem bereits 1643 in Irland ein Waffenstillstand mit dem royalistischen Lord Deputy erzielt wurde, entsandte 1644 die irische Konföderation von Kilkenny ein Expeditionskorps von 1.500 Soldaten nach Schottland, um James Graham und den König dort zu unterstützen.

Das Kriegsjahr 1644 brachte die Wende des englischen Bürgerkrieges. Im Januar belagerten irische Truppen unter royalistischem Oberbefehl die nordöstlich von Wales gelegene Stadt Nantwich, mussten sich dann aber vor einer Übermacht parlamentarischer Truppen zurückziehen. Am 02. Juli 1644 fand die Feldschlacht von Marston Moor in der Nähe von York statt. Die Schlacht endete mit dem Sieg des von Alexander Leslie kommandierten Parlamentsheeres, in dessen Zentrum die schottischen Covenanters standen. Das entschlossene Eingreifen der von Oliver Cromwell befehligten Reiterei (der puritanischen „Eisenseiten“) wendete den Verlauf der Schlacht. Am 16. Juli 1644 wurde die Stadt York eingenommen, wodurch das Parlament die Kontrolle von ganz Nordengland übernahm. Der Sieg von Marston Moor begründete den Aufstieg Oliver Cromwells als erfolgreicher Kavallerie-Kommandeur und einflussreicher Parlamentarier.
Am 1. September 1644 erzielten die Royalisten in Cornwall bei Lostwithiel einen letzten bedeutenden Erfolg über Parlamentstruppen. Doch Karl 1. machte keinen Versuch, wieder die militärische Initiative zu übernehmen, sondern zog sich auf Oxford zurück, um dort zu überwintern.

Für den weiteren Kriegsverlauf wurde die Aufstellung der „New Model Army“ unter dem Kommando von Thomas Fairfax und Oliver Cromwell entscheidend, die im Februar 1645 abgeschlossen wurde. Gliederung, Bemannung, Organisation und Ausrüstung erfolgten modern und unter Berücksichtigung der erst kürzlich siegreichen Kämpfe und Schlachten. Für die Reiterei gab Cromwells puritanischer und kampfstarker Reiter-Trupp der „Ironsides“ das Vorbild. Die Vergabe von Kommando-Posten erfolgte nicht nach sozialer Rangfolge sondern nach Eignung und Fähigkeit, wodurch auch Männern aus dem niederen Volk Offiziersränge zugänglich waren. Gleichzeitig wurde für den Schutz Londons eine Bürgermiliz aufgestellt, die notfalls die Hauptstadt gegen angreifende, royalistische Truppen verteidigen sollte. Cromwell und seine Offiziere hielten die später mehr als 30.000 Kämpfer umfassende Miliz zunächst für einen minderwertigen, kampfschwachen Ersatz.
Der zweite entscheidende Faktor des Sieges der Parlamentskräfte war das militärische Bündnis mit der Armee der schottischen Covenanters unter Alexander Leslie, die auch dann in England blieben, als ihre Basis in Schottland von Parteigängern des Königs eingenommen wurde.
Am 14. Juni siegte die New Model Army in der Schlacht bei Naseby/Northamptonshire über das royalistisches Heer und machte viele Gefangene. Damit war das militärische Rückgrat der Royalisten gebrochen. Der König musste fliehen.
Am 10. Juli folgte der Sieg in der Schlacht bei Langport/nahe Somerset über die letzte kampffähige Armee des Königs. Am 10. September 1645 wurde Bristol eingenommen. Außer in Wales und Schotlland blieben nur noch einzelne isolierte Garnisonen und Städte wie Oxford/Midlands in royalistischer Hand, die nun nach und nach zur Kapitulation gezwungen werden mussten.

Nach dem Eingreifen der Covenanters in England blieb auch Schottland nicht vom Bürgerkrieg verschont. Im zentral gelegenen Blair Atholl hissten Anhänger von James Graham das königliche Banner und mobilisierten die Bewohner der Highlands. 1645 besiegte Graham in vier Schlachten die Covenanters und nahm fast ganz Schottland ein. Die Anführer der Covenanters flohen nach England zu den dort stehenden schottischen Truppen. Nach den großen Siegen rückte im Spätsommer 1645 bei vielen Beteiligten das private Interesse in den Vordergrund. Die Highländer brachten die Beute aus den Städten heim und kümmerten sich um die Ernte. Am 13. September 1645 erlitt James Grahams zusammengeschmolzenes Heer eine schwere Niederlage nahe Selkirk durch die Armee der Covenanters unter Leslie Alexander.
Grahams Bestrebungen, den Kampf fortzusetzen, endeten 1646 auf Befehl des Königs, die Waffen zu strecken.

1646 belagerten parlamentarische und schottische Truppen gemeinsam Newark-on-Trent, die letzte royalistische Hochburg in Nordengland, deren Garnison am 08. Mai kapitulierte. Ebenfalls im Mai begann die Belagerung Oxfords. Karl I. floh noch rechtzeitig aus der Stadt, bevor sich der Belagerungsring schloss, in das von schottischen Truppen besetzte Newcastle. Am 18. Juni 1846 befahl der König allen royalistischen Garnisonen und Truppenteilen, die Waffen niederzulegen. Damit endeten die Kampfhandlungen des ersten Bürgerkrieges in England.

Im Januar 1647 lieferte die schottische Armee den König gegen Zahlung von 400.000 Pfd. Sterling an das englische Parlament aus, das ihn der Obhut der Parlamentsbevollmächtigten unterstellte. Im Juni 1647 wurde Karl I. durch George Joyce entführt und unter Kontrolle der New Model Army im Hampton Court Palace, der schon den Frauen Heinrich VIII. als Wohnsitz gedient hatte, untergebracht, wo er unter Bewachung zahlreiche Freiheiten hinsichtlich persönlicher Besucher und Korrespondenz genoss. Ein Fluchtversuch endete auf der Insel Wight als neuer Haftort.
Der nach dem militärischen Sieg zunehmende Radikalismus des englischen Parlamentes missfiel nicht nur den unterlegenen Royalisten sondern auch den presbyterianischen Schotten. In London verloren die Presbyterianer gegen die „Independents“, die die Anglikanische Kirche als vom Katholizismus geprägte Staatskirche und zudem jegliche zentralisierte Kirche ablehnten, immer mehr an Gewicht. Auch die Puritaner, die die Anglikanische Kirche von katholischen Überbleibseln reinigen wollten, machten von sich reden.
Angesichts dieser Herausforderung traten die schottischen Presbyterianer in Verhandlungen mit Karl I. Im Dezember 1647 kamen sie im Vertrag von Newport überein, ein Gesetz gegen Häresie zu beschließen, wonach der Presbyterianismus in England drei Jahre lang gefördert und alle anderen Sekten unterdrückt werden sollten. Im Gegenzug wollte Schottland dem König eine Armee stellen. Die mehrheitlich puritanischen Offiziere der englischen Armeeführung sahen darin einen Angriff auf ihre Religionsfreiheit.
Da Karl I. die eindeutige Parteinahme für die schottischen Covenanters unterließ, traten bald Opposition und Widerstand gegen das politische Bündnis zutage, was zur Spaltung der Covenanters führte.
Im März 1648 floh die Königin gemeinsam mit dem Prince of Wales und James Butler, dem 1. Duke of Ormonde, aus Furcht vor Verhaftung nach Frankreich.
Von April bis Juni 1648 wurde die schottische Armee ausgehoben. Sie umfasste mit 10.500 Soldaten nur etwa ein Drittel der geplanten Stärke und überquerte am 8. Juli die englische Grenze. Dort vereinte sie sich mit 3.000 Royalisten, während an verschiedenen Orten Englands wie in Colchester royalistische Aufstände ausbrachen. Vom 17. bis 19. August kam es zur Schlacht von Preston mit Cromwells New Model Army, die mit der Kapitulation der Invasionsstreitmacht endete. Die Aufstände wurden niedergeschlagen; in Schottland brach die politische Bewegung für ein Engagement in England zusammen.
Damit endete der zweite Bürgerkrieg in England.

Nach der Niederlage nahmen presbyterianische Parlaments-Abgeordnete heimlich Verhandlungen mit Karl I. auf, um dessen Rolle in einem künftigen konstitutionellen System zu klären. Dem stellte sich Oliver Cromwell als Vertreter der Armee und der Independents entschieden entgegen, weil er nach misslungenem eigenen Verhandlungsversuch davon überzeugt war, dass der König niemals von seinen absolutistischen Vorstellungen vom Gottesgnadentum abgehen werde und – solange er lebe – eine Gefahr für die parlamentarischen Errungenschaften bliebe. Um royalistischen und legalistischen Bestrebungen jegliche Basis zu entziehen und einen weiteren Bürgerkrieg zu verhindern, wollte er die Verfassungskrise mit der Hinrichtung des Königs und der Errichtung der Republik lösen.
Dazu ließ er im Dezember 1648 die presbyterianischen Widersacher aus dem Parlament vertreiben.
Das Parlament lehnte zunächst den Einspruch der Armee-Vertreter in Form einer Remonstranz gegen die Verhandlung mit dem König mit 125 zu 58 Stimmen ab. Nach der Rückkehr der Unterhändler nahmen die Parlamentarier die königliche Antwort zur Kenntnis und votierten am 05. Dezember mit 129 zu 83 zustimmend.
Am Morgen des 06. Dezember 1648 wurden die Abgeordneten am Parlamentseingang von Oberst Pride mit dessen Regiment und einem unterstützenden Kavallerieregiment in Empfang genommen und anhand einer „schwarzen Liste“, die ein Abgeordneter der Armee aus Leicester erstellt hatte, selektiert. Die Selektion von insgesamt 489 Abgeordneten ergab, dass 18 Abgeordnete (vermutlich inzwischen gestorben) dauerhaft fehlten. 45 Abgeordnete wurden vom Parlament ausgeschlossen und verhaftet. 186 wurden von Parlament ohne Verhaftung ausgeschlossen. 86 Abgeordnete wurden zwar nicht ausgeschlossen, blieben aber aus Protest dauerhaft dem Parlament fern. 83 Abgeordnete durften das Parlamentsgebäude betreten, nachdem sie ihre Ablehnung der königlichen Vorschläge erklärt hatten und 71 galten als Anhänger der Armee.
Mit insgesamt 154 Abgeordneten gehörte dem Rumpf-Parlament nach diesem Militärputsch nur noch knapp ein Drittel der gewählten Parlamentarier an. Die missliebigen Vertreter von 68 Prozent der Wähler wurden aus dem Unterhaus entfernt! Damit vollbrachte Cromwell den gleichen Verfassungsbruch, der dem König sieben Jahre vorher zum Verhängnis geworden war. Cromwell stand inzwischen die New Model Army als willfähriges Instrument zur Seite, eine Konstellation, die die Abgeordneten einst für so gefährlich hielten, dass sie dem König unbedingt den Armee-Oberbefehl verwehren wollten. Das gesäuberte Parlament bestand nun mehrheitlich aus Abgeordneten, die eine republikanische Staatsform anstrebten oder im Zweifel dem Druck der Armee nachgaben.

Anmerkung: Die damaligen Ereignisse ähneln frappierend den Vorgängen im Kiewer Parlament vom Februar 2014, wo die Abgeordneten durch ein mit Knüppeln und Baseball-Schlägern bewaffnetes Spalier von ukrainischen Faschisten getrieben wurden, um sie für die parlamentarische Absegnung des Machtwechsels gefügig zu machen.
Auch der II. Allrussische Sowjetkongress am 07. November 1917 zeigte eine gewisse Ähnlichkeit. Nur 300 der 670 Delegierten gehörten den Bolschewiki an. Zwar hatten beim Betreten des Saales 505 Delegierte der Losung „Alle Macht den Sowjets“ zugestimmt, doch als es darum ging, den bewaffneten Aufstand der Bolschewiki am 06. November zu legitimieren, schieden sich die Geister. In Gruppen verließen die Opponenten aus den Reihen der Sozialrevolutionäre (Mehrheit der insgesamt 193 Deputierten) und Menschewiki (82 Deputierte) aus Protest den Kongress, so dass im wesentlichen nur Befürworter des Umsturzes anwesend blieben.

Am 04. Januar 1649 beschloss das Unterhaus auf Antrag der Armee ein Gesetz, um den König vor Gericht des Hochverrats anzuklagen, der vom Oberhaus abgelehnt wurde. Am 06. Januar 1649 überstimmte das Unterhaus das Oberhaus-Veto aus eigener Kraft, worauf umgehend der High Court of Justice eingesetzt wurde. In das Tribunal wurden 135 Mitglieder berufen, von denen viele die Mitwirkung ablehnten, nachdem sie dessen Rolle als Hinrichtungswerkzeug am König verstanden hatten. So auch Thomas Fairfax, der als Oberkommandierender der New Model Army das Tribunal eigentlich leiten sollte. Der Prozess, an dem nur 68 Mitglieder des Tribunals teilnahmen, begann am 20. Januar in Westminster Hall. Am 26. Januar erfolgte der Schuldspruch wegen Hochverrates mit Hinrichtung als Höchststrafe. 59 Mitglieder des Gerichtshofes, also weniger als die Hälfte der berufenen Mitgliederzahl, unterzeichnete das Urteil. Am 30. Januar 1649 wurde Karl I. in Westminster/London vor dem Banqueting House öffentlich enthauptet.
Am 06. Februar wurde das Oberhaus abgeschafft. Am 07. Februar stimmten die Abgeordneten dafür, die Monarchie zu beseitigen und am 14. Februar einen Staatsrat als oberstes Staatsorgan der Commonwealth of England genannten Republik zu bilden. Zum Oberbefehlshaber aller Truppen in England und Schottland wurde Thomas Fairfax, nun durch Erbschaft Lord Fairfax of Cameron, ernannt. Vor Beginn des Feldzuges 1650 gegen Schottland übernahm Oliver Cromwell den Oberbefehl der Streitkräfte und wurde somit faktisch zum Militärdiktator der von seinen Streitkräften kontrollierten Gebiete.

Abgesehen von diesen Beschlüssen erwies sich das Rumpfparlament als unwillig und unfähig, die Pläne Oliver Cromwells zur Neuordnung des Staates umzusetzen. Die Ausarbeitung einer Verfassung für die republikanische Staatsordnung kam nicht vom Fleck.
Als Cromwell den kläglichen Rest des ursprünglichen Parlaments zur Selbstauflösung aufforderte, um Neuwahlen zu ermöglichen, lehnten die Abgeordneten das ab. Am 20. April 1653 erschien Cromwell in Begleitung von 30 Bewaffneten im Parlament und jagte die hundert versammelten Parlamentarier davon.
Ein neuer Versuch mit dem „Parlament der Heiligen“, die von Cromwell und der Armee ausgewählt wurden, scheiterte ebenfalls. Nach dem 16. Dezember 1653 regierte Oliver Cromwell das Commenwealth of England ohne Parlament als „Lord-Protektor“ von England, Schottland und Irland.

Die „große Remonstranz“ von 1641 hatte im religiösen und politischen Denken der Engländer ungeahnte Folgen. Darin wurde der König als fehlbarer Mensch seines Gottesgnadentums entkleidet, um die eigenen Machtansprüche des Parlamentes zu bekräftigen und zu rechtfertigen. Dies betraf sowohl die politische Rolle der Monarchie als auch den König als Oberhaupt der anglikanischen Kirche.
Kirchlich bestand die Auffassung, dass die Anglikanische Kirche von den Überbleibseln des Katholizismus in Ritualen, Gebetsbüchern und Organisation gereinigt werden solle. Seit 1560 lose organisiert, erhielt die Bewegung ab 1642 Zulauf. Deren Vertreter wurden Puritaner genannt und bildeten seit 1643 die kampfstarke Basis von Oliver Cromwells „Eisenseiten“. Einzelne Puritaner-Gruppen gingen sogar so weit, sich ganz von der reformunwilligen Kirche zu trennen und ihre Seelsorge in die eigenen Hände zu nehmen. Sie stellten erfreut fest, welch geringen Aufwand die Mitgliedschaft in einer freien Kirchgemeinde verursachte und wie teuer hingegen den Anderen der presbyterianische Klerus mit seinem Erzbischof, den Bischöfen und sonstigen Bediensteten zu stehen kam
Im Verlaufe des Bürgerkrieges lehnten Protestanten zunehmend die zentralisierte, hierarchische Organisation und den Klerus der Anglikanischen Staatskirche ab und bildeten stattdessen vom Staat unabhängige Kirchgemeinden. Die Autonomie der Gemeinden fand ihren Ausdruck im Kongretionalismus. Ab 1653 wurden ihre Vertreter als „Independents“ bezeichnet. Politischer Anführer der Glaubensrichtung während des Bürgerkrieges bis 1646 war Oliver Cromwell, unter dessen Einfluss das parlamentarische Gewicht der Independents zu Lasten der Presbyterianer wuchs. Die meiste Unterstützung gewann sie im wirtschaftlich entwickelten Süden Englands, prosperierenden Hafenstädten und unter freien Bauern. Die New Model Army bestand im wesentlichen aus Independents und Puritanern.
Für die Anglikanische Kirche wurde diese Entwicklung zu einen existenziellen Gefahr, denn die Gläubigen wechselten zu Tausenden zu den Independents. Ob es nun an der Ablehnung katholischer Relikte oder an der Prunksucht einzelner Kirchenvertreter lag oder nur dem Streben nach finanzieller Entlastung des Privathaushaltes entsprang, jedenfalls liefen die Schäfchen davon und zahlten keine Kirchensteuern mehr. Da die Armee in den Händen der Abtrünnigen war, kamen folglich nur das Parlament und der König als kirchliche Machtstützen infrage (was schließlich zu den Winkelzügen, der Reinigung des Parlaments und der Hinrichtung des Königs 1648/49 führte.)

Ebenfalls ab 1642 entstand die politische Bewegung der „Levellers“. Sie propagierten eine freie, demokratische Gesellschaft ohne die bestehende Standesordnung mit voller Religionsfreiheit, Trennung von Kirche und Staat und Gleichheit vor dem Gesetz. Sie strebten jährliche, allgemeine und gleiche Parlamentswahlen durch alle freien Männer an und vertraten die Abschaffung der Zensur, der Monarchie, des Oberhauses und der Adelsprivilegien. Steuerprivilegien des Adels sollten abgeschafft und durch eine sozial verträgliche Steuer ersetzt werden.
Die Levellers verstanden jeden Mann als gleich und frei geboren und somit als rechtlich ebenbürtig. Jedoch frei nur insofern, wie er sich selbst gehörte und von seinen Fähigkeiten freien Gebrauch machen konnte. Diese Freiheit von Geburt her ging dem verloren, der als Almosenempfänger oder Dienstmann auf den freien Gebrauch seiner Fähigkeiten verzichtete. Die Levellers vertraten folglich kein allgemeines Männer-Wahlrecht sondern das Wahlrecht der in diesem Sinne freien Männer.
Vor allem in der New Model Army konnte die Leveller-Bewegung gedeihen. Die Vergabe der Kommandoposten jenseits der alten Ständeordnung nach Fähigkeiten ebnete den Weg für Kommandeure aus bürgerlichen und bäuerlichen Verhältnissen und bedingte religiösen Pluralismus in der Armee. So konnte eine politische Bewegung entstehen, die sich für weitere fortschrittliche Reformen im Heer und im Staat einsetzte.
Zum Ausgangspunkt wurde die Verhaftung John Lilburns im Juli 1646, der das quasi-aristokratische Wohlleben der Londoner Parlamentarier im Gegensatz zu den Entbehrungen der Soldaten öffentlich gegeißelt hatte. Bald darauf wurde seine Freilassung durch eine breit unterstützte Petition seiner Anhänger erzwungen. 1646 wurde er erneut im Tower von London eingekerkert, weil er einen Offizier bezichtigt hatte, Anhänger der Royalisten zu sein. Diesmal drohten seine Anhänger sogar mit Aufstand. Die Unterstützer-Bewegung für Lilburn wuchs zu einer eigenständigen politischen Gruppe mit republikanisch-demokratischen Vorstellungen, aus der die Levellers hervor gingen. Um ihren Einfluss in der Armee zu erhöhen, wurde in jedem Regiment ein „Agitator“ gewählt. (Anmerkung: Das ist als Analogon zum Polit-Offizier oder zum Kommissar in der Roten Armee zu verstehen.)
1647 – in der Kampfpause nach dem ersten Bürgerkrieg – konnte der wachsende Einfluss der Leveller-Propaganda nicht länger ignoriert werden. Die Armeeführung um Cromwell wollte die Unterschiede und Gegensätze zwischen den Ansichten der Levellers und der alteingesessenen Offiziere in Debatten klären. Vom 28. Oktober bis 11. November 1847 fanden die Debatten in der St. Marys Church in Putney statt. Beide Seiten, darunter auch Oliver Cromwell für die Offiziere, legten Manifeste ihrer Position vor, die heftig diskutiert wurden. Cromwells Absicht, zu einer Einigung zu gelangen, erwies sich als nicht realisierbar. Cromwell beschloss daher, das Manifest seiner Parteigänger zwangsweise in der Armee als verbindlich zu erklären. Jeder, der die Zustimmung verweigerte, wurde verhaftet bzw. suspendiert. Nachdem einer der Verweigerer, Richard Arnold, ermordet wurde, starteten die Levellers ihre größte Petition. Zwar wurde sie am 11. September 1648 dem Parlament vorgetragen, doch umgehend von Oliver Cromwell durch Parlamentsbeschluss auf Eis gelegt.
Einer der wichtigsten Verfechter der Levellers, Thomas Rainsborough, wurde am 30. Oktober 1648 ermordet. Dessen Begräbnis führte zu großen Protestdemonstrationen. In der Armee kam es zu Meutereien. 1649 zerschlug Oliver Cromwell in der Schlacht von Burford die oppositionellen Levellers in der Armee. Die Anführer wurden inhaftiert, hingerichtet oder ins Exil getrieben. (Anmerkung: Das Geschehen ähnelt dem „Röhmputsch“ von 1934.)

Unter den Levellers fanden sich ab 1648 Leute wie Gerhard Winstanley, die meinten, dass man die Eigentumsverhältnisse so gestalten solle, dass jeder an der gemeinschaftlichen Produktion teilhaben und Wahlrecht genießen solle, ohne sich als Dienstmann oder Lohnarbeiter auf Zeit verdingen zu müssen. Unter Bezug auf das Lukas-Evangelium schwebte ihnen eine Gesellschaftsordnung ohne große Besitz-Unterschiede mit Gemeinschaftseigentum an den Produktionsmitteln vor. Sie sahen ihr Ideal in kleinen ländlichen Gemeinschaften mit bäuerlich-handwerklicher Lebensweise ohne Geld als Zahlungsmittel.
Winstanley und seine Mitstreiter veröffentlichten ein Manifest ihres Programms, worin sie für politische und wirtschaftliche Gleichheit eintraten und sich als „True Levellers“ bezeichneten. Ab 1649 besetzten sie öffentliches Land, um es gemeinsam zu bewirtschaften; so im April in Weybrigde den St. Georges Hill. Die Erträge wurden unter den Mitgliedern der Gemeinschaft und anderen Bedürftigen solidarisch verteilt.
Diese ersten durchaus beispielhaften Gemeinschaften müssen bei den Zeitgenossen großes Interesse und und vor allem bei den Ärmeren Nachahmungsdrang hervor gerufen haben. Andererseits warben die True Levellers nicht nur für die Gemeinschaftsarbeit sondern auch für eine Landreform, um die Landwirtschaft gemeinschaftlich zu organisieren, was den Interessen des Landadels, der bürgerlichen oder klerikalen Gutsbesitzer zuwider ging.
1650 entstanden an vielen Orten in England und Wales solche Kommunen. Ihre Mitglieder wurden „Digger“ (Erdarbeiter) genannt. Die Digger meinten, dass diese Form der Gemeinwirtschaft – wenn sie denn umfassend zum Tragen käme – über längere Zeit jeden Engländer zum freiwilligen Eintritt in eine Kommune bewegen würde. Aber weder Landadel und andere Besitzer größerer Ländereien noch Groß- und Klein-Bourgeoisie konnten sich damit anfreunden. Zu sehr waren sie auf ihr eigenes Besitz- und Geschäftsinteresse bedacht, das sie dadurch gefährdet sahen. Noch ehe die Gemeinwirtschaft ihrer Stärken und Schwächen im Wirtschaftsleben offenbaren konnte, machten die antagonistischen Kräfte Front dagegen. Das mag u. a. daran gelegen haben, dass ihnen ihre Dienstmannen einfach weg liefen und stattdessen zur Kommune gingen. Bereits 1651 wurden alle Digger-Kommunen auf Initiative des Landadels und mit dem Segen des englischen Parlamentes zerstört.
(Anmerkung: Etwa fünf Jahre relativ freier Entwicklung hätten vermutlich ausgereicht, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Kommunen zu erproben, zu verbessern oder als untauglich zu verwerfen. Infolge der gewaltsamen Unterdrückung blieb den späteren Nachahmern nichts anderes übrig, als neue Kollektivierungsversuche zu unternehmen.)

Bilanziert man die politische Entwicklung von 1641 bis 1651, so stieß der König anfangs auf die geschlossene Opposition des Parlamentes (Unterhaus). Mit der Diskussion der großen Remonstranz, die auf eine konstitutionelle Reform der Monarchie zielte, begann die Fragmentierung der Oppositionskräfte, wobei die knappe Hälfte der Parlamentarier auf royalistische Positionen über ging. Das waren Vertreter des Adels und des Klerus, aber auch Leute aus allen anderen Bevölkerungsschichten, die den bestehenden gesellschaftlichen Kodex einschließlich Monarchie für bewahrenswert hielten und nicht treubrüchig werden wollten.
Auf der anderen Seite standen z. B. Großbürger, die dem „königlichen Dummkopf“ Karl I. seine Schiffbausteuer für die teuren, royalen Vorhaben übel nahmen, weil sie den Holländern einen immensen Konkurrenzvorteil im Fernhandel verschaffte. Ihnen war jedes Mittel recht, um Druck auf die Regierung im Sinne ihres Geschäftsinteresses auszuüben.
Um der Levellers-Bewegung in der Armee den Schwung zu nehmen und das Gegeneinander-Ausspielen von der Independents-geprägten Armee und dem presbyterianisch-beeinflusstem Parlament durch den König zu beenden, setzte die Armeeführung auf die Reinigung des Parlaments und die Hinrichtung des Königs. Auch wenn das Londoner Volk bei der Hinrichtung gejubelt haben mag, so dürfte der Zuspruch dafür höchstens noch bei einem Fünftel der Engländer gelegen haben.
Nach der Zerschlagung der Levellers und der Digger-Kommunen wurde die soziale Basis des Rumpfparlamentes und der Armeeführung noch schmaler. Weit blickende Republikaner wie Thomas Fairfax erkannten, dass sie den königlichen Absolutismus jetzt gegen ihren militärischen Absolutismus eingetauscht hatten und zweifelten daran, dass sich dies wirklich als dauerhaft fortschrittlich und gedeihlich erweisen würde. Die Republik war nur noch die staatsförmliche Hülle einer Militärdiktatur. Fairfax quittierte 1650 den Dienst, übergab den Oberbefehl der Armee an Oliver Cromwell und zog sich auf seine Güter zurück. Zwangsläufig konzentrierte sich immer mehr Macht in der Hand des fähigsten und zugleich skrupellosesten Militärführers. Das war Oliver Cromwell, der seine Militärdiktatur im Interesse von wenigen Prozent der Bevölkerung ausübte. Wer dabei gewinnen würde, musste sich erst noch herausstellen.

(Hinweis: Die Diskussion hier ist *themengebunden* – Russophilus)

65 Gedanken zu „HPB – Die englische Revolution (2)“

  1. der kurzangeschnittene 30 jährige krieg erinnerte mich gleich wieder an eine lektüre, die ich doch gleich mal weiter empfehlen wollte.
    „grimmelshausen, der abenteuerliche simplicissimus“
    dieser erschien 1669
    ich selbst hab die 3. auflage von 1919, aber es sollten sich auch spätere finden lassen, um sich nicht mit der deutsche schrift auf kriegsfuß zu stellen.

    das buch spielt in der zeit des 30 jährigen krieges, und wurde höchstwahrscheinlich von einem damals adeligen verfasst, doch es war in seiner stellung nicht empfehlenswert, sich namentlich zu nennen.

    und zu dem artikel des herrn HPB, herr vorragend, gute geschichtliche zusammenstellung und erklärung der hintergründe.wer daran interessiert ist , findet diesen artikel bestimmt sehr kurzweilig.

  2. Eine großartige Leistung von HPB, vielen Dank für diese Mühe, die mir viele neue Erkenntnisse gebracht hat. Ich habe alle Folgen gelesen und freue mich auf die Fortsetzungen. Geschichtsunterricht, vermittelt durch die „Feder“ von HPB, tut richtig gut.

  3. Grandios!
    Mit „Licht“Geschwindigkeit zum Zwecke der Erhellung und Wissenserweiterung der Leser durch einen bedeutenden Teil der englischen Geschichte.
    England und England unter den Geburtswehen seiner weltmächtigen Eigenschaft zu betrachten, zeigt auf, dass es zu keiner Zeit immer dasselbe war.

    Heute – ich erlaube mir dies einmal zu bemerken – ist England unter dem Einfluss und dem Schutz eines intelligenten jüdischen „Establishments“ (seit Cromwell) [und unter dem Illobrand Ludwiger nur am Rande erwähnten Phänomens von „Stein im Stein“] zu einem Alien herangereift, welches über die autonome City of London ein weltweites Piratennetz an OffshoreKristallen kontrolliert, dessen größter Ableger die Wallstreet ist.

    Danke für diesen Beitrag!

    1. Inwieweit sich ein Gebilde wie die BRICS weitestgehend davon lossagen kann und nicht dann doch irgendwann einmal etwas Ähnliches etabliert, was wir Alle noch nicht wissen, ist eine wichtige Frage in Richtung Zukunft.

  4. kein wunder, wenn die welt so ist wie sie ist.
    wer geschichte kennt, kennt auch die zukunft.
    die haltung der engländer hat die welt geprägt, und zwar so sehr, daß es selbst heute im grunde nicht anders zugeht.nur haben die engländer übertrieben, mit ihren bemühungen deutschland in kriege zu ziehen.verloren haben nur die tommys, und zwar ein weltreich (welch glück)
    aber der geist der von denen und ihrer menschenverachtenden einstellung wurde von den amis übernommen, und die haben die tommys weltpolitisch gesehen zu schuhputzern degradiert, und deren gebaren noch einmal eine stufe höher weltpolitisch etabliert.
    danke, HPB für diese einblicke

    1. Richtig!

      Es ist eine Segen, wieviele vernünftige Menschen es doch gibt, die im Dschungel der Historie und der Meinungsvielvalt, die grundsätzlich zu begrüßen ist, noch Pfade finden, die Nach Hause führen.
      Mein Plädoyer für die Zukunft. Bei den bevorstehenden Gemetzeln, die unterwegs reichlich anstehen werden,

      https://amp.express.de/koeln/im-visier-der-rechten-nach-kuckelkorn–noch-viel-mehr-koelner-auf-nazi-liste–32742110#referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com&amp_tf=Von%20%251%24s

      sollte man sich niemals auf das Niveau der ANTIFA begeben.
      Das ist zwar jetzt etwas neben dem Thema, kam mir aber in den Sinn, weil England gewalttätige Zeiten durchlitten hat, die zu einem gewalttätigen System geführt haben. D ist bis heute von einer ähnlichen Entwicklung verschont geblieben. Wir sollten uns RU zu Vorbild nehmen.
      Im Kampf um die Wahrheit wird das Richtige siegen.
      Die Zeit der Stille neigt sich dem Ende!

  5. Kann mich dem Kommentar von Latino nur anschliessen, verbunden mit einem herzlichen Dank an HPB. Geschichtsnachhilfe in einer solch kompakten Form hat was !

  6. Geschichte so im Zeitraffer darzustellen, ist nicht einfach und ein gutes Hilfsmittel für uns Leser. Denke, werter HPB für die wieder ausgezeichnete und umfangreiche Analyse.

  7. Danke für das Lob.

    Ich meine, dass man am Verlauf der englischen Revolution die Zuspitzung der Interessengegensätze und Machtkämpfe gut nachvollziehen kann. Auch wie die soziale und politische Basis der neuen Herrscher immer schmaler wurde.
    Vermutlich hatte Lenin davon eine ziemlich klare Vorstellung und hätte gerne in Russland Ähnliches vermieden. Aber wenn mit in einer vorwiegend bäuerlichen Gesellschaft mit einem proletarischen Revolutions-Programm wie die Bolschewiki antritt, dann müssen die Gegner gar nicht so viel unternehmen, um eine rasche Zuspitzung des Machtkampfes herbei zu führen. Die Briten wussten ja auch, wie das „Spiel“ geht. So ist also kein Wunder, dass das Revolutions-Geschehen 1917- 1920 in Russland gewisse Ähnlichkeiten zur englischen Revolution aufweist.

    In Bezug auf de dialektischen Verlauf sieht man den wachsenden ökonomischen und politischen Einfluss der reichen Londoner Geschäftsleute, die dem Oberhaus im Unterhaus zunehmend bis zum Umsturz der politischen Macht Paroli zu bieten vermochten. Äußerte sich das zunächst noch in der alten „monarchischen Verfassung“ Englands als Einheit und Kampf gesellschaftlicher Gegensätze und Widersprüche, die durch die wachsende ökonomische Macht und Ansprüche der Bourgeoisie immer neue Nahrung erhielten (Anwachsen quantitativer Veränderungen bis hin zum Umschlag in eine neue Qualität!), so gipfelten die Ereignisse in der Errichtung der Republik als neue Staatsform (=neue Qualität).

    Was hier noch nicht so richtig heraus kommt, ist die Bedeutung des dialektischen Gesetzes der Negation der Negation. Zwar spielte das schon bei den Bischofskriegen in Schottland und der irischen Rebellion eine Rolle, aber im letzten Teil wird es auch für England gut sichtbar sein, denn es zeigt die Bedeutung gesellschaftlicher „Beharrungs-Kräfte“, also konservativ gestimmter Menschen, die danach streben, das Bewahrenswerte der früheren Zeit im revolutionären Eifer nicht zu vergessen sondern lebendig zu bewahren.

    1. [„Beharrungs-Kräfte“, also konservativ gestimmter Menschen, die danach streben, das Bewahrenswerte der früheren Zeit im revolutionären Eifer nicht zu vergessen sondern lebendig zu bewahren.]

      Grobe Einteilung des europäischen Menschen:
      1. Kreative, Erschaffer
      2. BEWAHRER
      3. Verluderer
      4. Zerstörer

  8. Hallo HPB, auch von mir einen herzlichen Dank für diese kurz und klar zusammengefasste und sehr interessante Zeitenschau von ca.1600 – 1650!

  9. @ HPB

    ich hoffe, es wird auch etwas über den 30 jährigen krieg geben, ich hab den zwar auch in der schule durchgekaut, aber mein geschichtslehrer hätte sich von ihnen mehr als nur ein paar scheiben abschneiden können, dann wär geschichtsunterricht nicht so ermüdend gewesen.

    1. @ potzblitz

      Da muss ich Sie leider enttäuschen. Der 30-jährige Krieg stand nicht auf meiner Agenda. Ich meine sogar, dass die Ausführungen zur niederländischen und zur englischen Revolution genügend Impulse vermitteln, um den Blick auf Späteres und die aktuellen Geschehnisse zu schärfen.

      Alfred Döblins „Wallenstein“ zeichnet ein imposantes Bild des 30-jährigen Krieges bis zum Mord an seinem „Helden“. Durchaus lesenswert.

      1. @ HPB
        zu 1: scheisse 🙁
        zu dem tip, werd ich beherzigen, nach ihrem artikel hab ich mir gleich wieder den simplicissimus hervorgeholt, und angefangen den nochmal zu lesen, ist schon wieder 20 jahre her daß ich den las. der ist so humorvoll geschrieben, das braucht man in der heutigen zeit, denn mit humor kommt man weiter, und humor ist wenn man trotzdem lacht.ausserdem ist es ein teil deutscher geschichte, zu-mindest die handlung, und das auch noch von einem zeitgenossen geschrieben, sozusagen aus 1. hand.

  10. Ein toller und spannend zu lesender Artikel HPB. Ich bin beeindruckt wie sie uns auch mit kleineren, aber dennoch wichtigen Details versorgen.
    Zehn Daumen nach oben.

  11. Noch einige geschichtliche Details als Ergänzung:

    Zu den englischen Dynastien:
    1485 – 1603: Haus Tudor
    1603 – 1714: Haus Stuart (mit revolutionären Unterbrechungen)
    1714 – 1901: Haus Hannover
    seit 1901: Haus Sachsen-Coburg-Weimar (seit 1917 umbenannt in Windsor)

    Alexander Leslie, der als schottischer Freiheitskämpfer gilt, stand 33 Jahre im Militärdienst Schwedens, zuletzt als Feldmarschall. Er war ein kampferprobter und befehls-gewohnter Mann mit großen taktischen Stärken. Bei seinem Ausscheiden aus schwedischen Diensten 1638 – nach etlichen Jahren des Kampfeinsatzes im 30-jährigen Krieg – war ihm die Krone noch Sold schuldig, den er sich im Gegenwert von Kanonen und Musketen auszahlen ließ.
    Mit diesen Rüstungsgütern konnte er in Schottland relativ schnell die kampfstarke Armee der Covenanters formieren.

    Ein relevanter Bezug zum Heiligen Römischen Reich ergab sich auch aus der Verwandtschaft des englischen Königshauses mit dem Kurfürsten von der Pfalz durch die 1613 erfolgte Eheschließung von Jacobs Tochter mit dem Pfalzgrafen.
    In den 1640-er Jahren, als der Bürgerkrieg in England stattfand und die pfälzischen Machtverhältnisse wieder geordnet waren, bildete die Pfalz einen stetigen Rückhalt für den König. Ruprecht von der Pfalz, der das königliche Heer führte, galt lange Zeit als unbesiegbar, bis ihn die New Model Army eines Besseren belehrte. So hing in jener Zeit das royalistische England eigentlich „am Tropf der protestantischen Mächte“, die im HRR kämpften und entzog ihnen Energie.

    Man beachte aber, dass das katholische Frankreich an das protestantische Schweden Subsidien zahlte, um die Macht des katholischen Hauses Habsburg zu schwächen. Andererseits verfolgte Sachsen als Schutzmacht der Protestanten im Reich eigene Bestrebungen bezüglich der Lausitz, die es auf die Seite Habsburgs zogen.
    Diese merkwürdigen Konstellationen führte u. a. auch dazu, dass das Heer des dänischen Königs Christian auf dem Höhepunkt seiner Invasion im HRR sogar im protestantischen Sachsen auf Beute aus war, bevor es von Wallenstein und Tilly vertrieben werden konnte.

    1. sieh da , immer diese verweise auf den 30 jährigen krieg
      ( ich bohr dann gerne in der wunde weiter 😉 , nix für ungut )

    2. Kleiner Flüchtigkeitsfehler im thüringer Kleinstaatenwirrwar:
      Windsor entstammt der Linie Sachsen-Coburg-Gotha.

      Ansonsten bin ich wie immer dankbar und beeindruckt von der kenntnisreichen und verdichteten Darstellung historischer Dynamiken und Parallelen. Ich profitiere sehr davon.

  12. aber der leslie hats aber auch nicht geschafft einen kurzsichtigen schweden dem weg zu weisen 😉

  13. @HPB,

    auch von mir vielen lieben Dank für Ihren extrem detailierten Artikel, da haben Sie sich mal wieder sehr viel Mühe gemacht!

    Mir hilft das in der heutigen Zeit für eine Einschätzung wie der Hase läuft. Auch wenn ich niemals viel dazu kommentieren kann, freue ich mich immer auf Fortsetzungen.

  14. Im Artikel ober beschrieb ich, wie Karl I. ab 1626 aus Finanznot wohlhabende Engländer in Haft nehmen ließ, um von ihnen oder ihren Verwandten Löse-Zahlungen zu erpressen. Eine Willkür, die schließlich auf den Widerstand des Parlamentes traf (1628).

    2016 lief in Saudi Arabien auf Initiative Mohammed bin-Salmans (MBS) das gleiche „Spiel“. Reiche Saudis wurden inhaftiert und kräftig durchgeschüttelt, bis ihnen das „nötige Kleingeld“ aus den Taschen fiel. Auch da war vorübergehende Geldnot das Motiv, denn die Ausgaben für den Krieg im Jemen überstiegen alle Erwartungen.
    Zwar verfügt das saudische Herrscherhaus über nominell erhebliche Reichtümer in Form von Rücklagen, doch diese sind vorrangig in US-Unternehmen und Finanzanlagen investiert. Zu schnelle Auflösung der Anlagen hätte erhebliche Kursverluste und Mindererlöse verursacht, was MBS durch diese Gewaltaktion zu vermeiden trachtete.

    England besaß zur Regierungszeit Karls I. bereits eine Jahrhunderte währende parlamentarische Tradition. Dergleichen fehlt in SA vollkommen. Dort könnten nur fremde Mächte eine Art Dominanz ausüben, um die Willkür zu bändigen. Aber weder -Israel, das MBS zum Krieg im Jemen anstiftete, noch die USA haben bisher Absichten in dieser Richtung erkennen lassen.

    MBS glaubt seinerseits, dass er mit seiner Politik und Willkür erfolgreich durchkommen wird, denn das ist eine traditionelle Verfahrensweise, die für einen erfolgreichen islamischen Herrscher als angemessen gilt.
    Von der Thronfolge her macht er auf mich allerdings den Eindruck eines Usurpators, denn da wurde erheblich hin- und her-geschoben, um ihm den Anspruch zu gewähren. In der Regel mussten sich Usurpatoren in der islamischen Geschichte immer besonders anstrengen, um ihrem Machtanspruch Geltung zu verschaffen. Das wird auch MBS nicht erspart bleiben. Aber wenn seine Anstifter und Förderer weg sind, dürfte ihm nur noch wenig Zeit bleiben. Ich denke, dass er nicht bis 2029 (Karl I. vergleichbar) in der Machtposition bleiben wird.

    Hier noch als Beispiel Abu Amir Muhammad ibn Abdallah Abi Amir, der unter dem Namen al Mansur europaweit bekannt wurde. Als Kämmerer gelang es ihm, in den Machtkämpfen nach dem Tod des Kalif al-Hakam II, die faktische Macht im Kalifat von Cordoba an sich zu reißen und zu behaupten. Er unternahm alles Erforderliche an Reformen, um seine Macht abzusichern, schuf sich eine neue Armee aus marokkanischen Söldnern und überzog die christlichen Staaten Nordspaniens mit verheerenden Razzien. Sogar der christliche Wallfahrtsort Santiago de Compostela wurde erobert und zerstört. Die meisten christlichen Staaten auf der iberischen Halbinsel wurden ihm tributpflichtig. Niemals wieder erreichte die islamische Macht in Spanien eine solche Dominanz wie zu Lebzeiten al-Mansurs bis 1002.
    Man kann gewiss sein, dass MBS bei seinem Treiben solche Beispiele vor Augen hat.

    1. @HPB,

      die Entwicklung zur multipolaren Weltordnung scheint mir über weite Strecken in Zeitlupe abzulaufen. Jeder der Protagonisten / Spieler hat so die Gelegenheit zu beobachten und alles nachzuvollziehen. Ich schätze das hat damit zu tun, das man die Wahrscheinlichkeit für einen ganz großen Konflikt so niedrig wie möglich halten will.

      MBS hat mit seinem Kunststaat eigentlich nicht viele Optionen (aus eigener Kraft). Sie schrieben schon das Karl I. ein bisschen ungestüm (unerfahren?) angefangen hat, vielleicht hat sein Start ihm im Nachhinein viele Türen verschlossen? Vielleicht aber auch seine Persönlichkeit oder mangelnde Intelligenz (z.B. daraus resultierend schlechte Berater)? Ich würde allerdings vermuten das MBS hier noch weit weniger Demut und Lebenserfahrung besitzt als Karl I?

      Die Zeitlupe tastet vorerst MBS nicht an (selbst bei so einer Khashoggi Aktion). Wenn die amis den nahen Osten verlassen könnte man das Spiel „Position von Israel & Saudi in der multipolaren Weltordnung“ wieder in Normalgeschwindigkeit laufen lassen. Niemals zu viele Baustellen auf einmal.

      So empfinde ich (rein subjektiv, natürlich) die Situation.

      1. @ Helm ab zum Gebet

        Ihr Empfinden zur Situation für MBS und Saudi Arabien ist durchaus nachvollziehbar.
        Wenn man sich aufs Glatteis führen lässt wie MBS durch Israel, dann lässt die Schwere der Schuld an den vielen Opfern für die Zukunft nichts Gutes erwarten.

        Aber Salmans Willkür-Handlungen richten sich auch gegen Teile des Hauses Saud. Und das dürfte einigen Untertanen sehr willkommen sein. Andererseits initiiert er kleine Schritte, um Verbote zu mildern oder gerade der holden Weiblichkeit etwas entgegen zu kommen, was ihm zu Hoffnungen und Erwartungen verhilft. …
        Sollten in den nächsten zwei bis sechs Jahren Israel (2021) und USA (ca. 2025) als stützende äußere Machtpole wegfallen, dann muss er zwangsläufig innere Kräfte finden und mobilisieren, will er nicht unter die Räder kommen.
        In Anbetracht der gewaltsamen Unterdrückung schiitischer und anderer Opponenten scheint das momentan (noch) unmöglich. Man kann jedoch nicht ausschließen, dass Not erfinderisch macht und ihm zu neuen Erkenntnissen verhilft.

        Vielleicht leiht MBS schließlich Kadyrow sein Ohr, um heraus zu finden, wie er ohne Mord und Totschlag aus der verfahrenen Situation entkommen kann. Immerhin ist Ramsan Kadyrow ein Sunnit, dessen Wort Gewicht hat und obendrein ein Vertrauter Wladimir Putins. Der könnte Manches beitragen, wenn guter Rat teuer ist.

        Dennoch erachte ich die Wahrscheinlichkeit, dass MBS den Wandel vom Saulus zum Paulus durchstehen kann, für relativ gering.

  15. HPB , vielen Dank für den kostenlosen Geschichtsunterricht

    ein Link zum 1.Teil wäre Hilfreich und es wird hier allgemein
    viel mit Kürzeln gearbeitet , was bedeutet zB MBS genau ?
    wir sind ja nun nicht bei Twitter wo man nur 140 Buchstaben zur Verfügung hat …

  16. Wer versucht uns da auf recht intelligente Weise von zionistisch-angelsächsischer Seite wieder einmal etwas unterzuschieben?

    http://wiki.artikel20.com/

    Inhaltlich zwar absolut richtig, doch langfristig wieder mit einem Blutzoll gegenüber RU belegt?
    Wir sollten vorsichtig sein!

    1. Der Dealmaker und sein ExKumpel Steve Bannon hatten irgendwann einmal was gesagt von:
      „Deutschland kommt zuletzt dran!“

      Die sollen mal schön Ihre Probleme im eigenen Haus lösen. Allerdings ist Nachhilfe in Sachen „Aufklärung der Bevölkerung“ nicht schlecht.

      Wie sagt dä Kölsch‘?
      Do simma dabei, dat is prima!

      Da war doch was?
      Ach ja, nach dem III. großen Krieg soll ja im Kölner Dom mit der Krönung des Kaisers das Goldene Zeitalter anbrechen.

  17. Noch einige Hinweise zu den dynastischen Verflechtungen zwischen dem Heiligen Römischen Reich (HRR) und England.

    Der erste Name, der mir da einfiel, ist Kaiserin Matilda. Die Tochter des englischen Königs Heinrich I. wurde 1102 geboren und bereits 1114 mit Heinrich V., dem Kaiser des HRR, vermählt. Ihr Gemahl sorgte für eine umfassende Ausbildung seiner jungen Gefährtin und übertrug ihr später auch politische Verantwortung. Nach dem Tode Heinrichs 1125 kehrte sie auf Wunsch ihres Vaters nach England zurück, weil sie als einzig legitimes Kind Thronfolge-berechtigt war.
    In den Bürgerkriegswirren nach dem Tod des Vaters konnte sie 1141 in England vorübergehend die Macht übernehmen, ohne gekrönt zu werden und siegelte ihre Orders als Kaiserin.
    1148 musste sie sich in die Normandie zurückziehen, wo sie bis zu ihrem Tode 1167 blieb.

    Anne von Böhmen hatte ich erwähnt im Zusammenhang mit Jan Hus und John Wyclif. Anne, die Tochter Kaiser Karl IV., wurde 1366 in Prag geboren. Sie wurde 1382 mit dem englischen König Richard II. verheiratet. Der fast gleichaltrige König war vom Liebreiz seiner Königin sehr angetan, weshalb sie auch die Zuneigung des englischen Volkes gewann. Leider war dem ehelichen Glück kein langer Bestand beschieden, denn schon 1394 wurde Anne ein Opfer der Pest.
    Richard II. wurde durch den frühen Tod seiner Gemahlin aus dem Hause Luxemburg völlig aus der Bahn geworfen.

    Seit 1714 stellte das Haus Hannover die englischen Monarchen. Das war am Ende des spanischen Erbfolgekrieges, in dessen Ergebnis die Bourbonen auch die spanische Krone übernahmen und die habsburgische Umklammerung Frankreichs aufbrachen. Zu jener Zeit war Österreich-Ungarn zu einer europäischen Großmacht aufgestiegen, während Brandenburg-Preußen ebenfalls an Macht gewann.
    Nach der Krönung Friedrich II. wurde die Dualität der Macht im HRR durch Preußen und Österreich-Ungarn in den drei Schlesischen Kriegen immer sichtbarer. Den Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen sollte der Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763 bilden, wobei Preußens einziger wesentlicher Verbündeter im HRR das Haus Hannover war. Standen ihm anfangs die Hannoveraner mit Truppen bei, musste Friedrich die Kriegslasten später alleine schultern. England half mit Subsidien aus, damit Preußen auf dem europäischen Kontinent Frankreich, Österreich-Ungarn und Russland widerstehen konnte. Während Preußen den Krieg mit großen Verlusten an Menschen und Wirtschaft (jedoch ohne Territorial-Verluste) überstand, war Großbritannien der große Gewinner, indem es Frankreich aus seinen Kolonialbesitzungen in Nordamerika und Indien vertrieb.
    Durch das Fürstenhaus Hannover war GB stets über die Entwicklung des HRR im Bilde und konnte entsprechenden Einfluss nehmen.

    Nicht anders beim Haus Sachsen-Coburg-Gotha. Auch hier war das fürstliche Haus ein Nachrichten- und Einfluss-Organ auf Angelegenheiten des Deutschen Reiches.
    Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 schwanden jedoch die direkten Spielräume zur Einflussnahme auf die Reichsregierung. Die Machthaber in London mussten sich etwas Neues einfallen lassen. Und das lief auf Krieg hinaus.

    1. Zunächst besten Dank @HPB, für die hervorragende Recherche. Sehr detail- und kenntnisreich. Schon alleine das Lesen macht Freude, im Gegensatz zu so vielen „Light“-Artikeln im Netz.
      Ich denke, daß die wirklich mächtigen Blutlinien (wie SGC) schon immer eher international als national gedacht und gehandelt haben. Denn im „Globalismus“ liegen die Chancen für enorme Profite sehr hoch, die Gefahr einer Verhaftung ist minimal und man kann mißliebige politische Strömungen, die zwangsläufig immer erstmal sehr viel begrenzter und lokaler auftreten, sehr erfolgreich durch Teilen&Herrschen unterdrücken.
      Allerdings ist die größte Schwäche dieser Leute Ihre Neigung, sich auch skrupellos gegenüber den gerade opportunen Wirtsvölkern zu verhalten. Wer Kriege führen will, aber die ausführenden Staaten durch Willkür, finanzielle Plünderung und Korruption/Erosion der politischen Akteure sehr schwächt, der läuft Gefahr, daß die Aktionen schließlich schieflaufen und die Militärs/Ordnungskräfte in Opposition gehen. Zunächst innerlich, später offen. Man sieht dies an der Unfähigkeit der aktuellen Globalisten, Kriege anzuzetteln oder auch nur Börsen zu manipulieren, wie es zuletzt durch Iran/Drohne/Tanker klar wurde.
      beste Grüße,

  18. HPB
    Vielen Dank für so einen Beitrag!
    Was für ein Wirbel damals in England. Purer Wirrwarr.
    Ein kleiner Zündstoff, ein kleiner Anlass (eine zornige Marktfrau warf ihren Stuhl nach dem Prediger) und schon eskaliert die Lage. Ein Krieg folgt dem anderen, fast pausenlos.
    Man kann den Eindruck gewinnen, seit diesen Jahrhunderten gab es keine Änderungen. Heute und damals die gleiche Vorgehensweise: das falsche Urteil mit falscher Anklage und falschen Beweisen ist immer noch so verbreitet. Nur ein kurzer Frieden, danach werden wieder die alten Konflikten entfacht. Die Parallelen sind offensichtlich zwischen damals und heute. ( Als krasses Beispiel Ukraine). Man bekommt den Eindruck, dass ein friedliches Leben fast unmöglich ist.
    @HPB Als ich den Satz ließ: “Die damaligen Ereignisse ähneln frappierend den Vorgängen im Kiewer Parlament vom Febr. 2014“, war ich sofort einverstanden mit solchem Vergleich. Und moderne Art von Hinrichtungen gab es auch. Die schreckliche Hinrichtung in Odessa am 2 Mai 2014. Nur einige davon zu nennen.
    England… Ein ausgeblutetes Land. Dass es in so einem Umfang geschah, wusste ich nicht. Danke HPB für Ihre aufschlussreiche Lektüre.
    Sie schreiben: „Unter den Levellers fanden sich ab 1648 Leute wie Gerhard Winstanley, die meinten, dass man die Eigentumsverhältnisse so gestalten solle, dass jeder an der gemeinschaftlichen Produktion teilhaben und Wahlrecht genießen solle, ohne sich als Dienstmann oder Lohnarbeiter auf Zeit verdingen zu müssen. Unter Bezug auf das Lukas-Evangelium schwebte ihnen eine Gesellschaftsordnung ohne große Besitz-Unterschiede mit Gemeinschaftseigentum an den Produktionsmitteln vor. Sie sahen ihr Ideal in kleinen ländlichen Gemeinschaften mit bäuerlich-handwerklicher Lebensweise ohne Geld als Zahlungsmittel. Usw.
    Ab 1649 besetzten sie öffentliches Land, um es gemeinsam zu bewirtschaften; so im April in Weybrigde den St. Georges Hill. Die Erträge wurden unter den Mitgliedern der Gemeinschaft und anderen Bedürftigen solidarisch verteilt.“
    Warum ich es so ausführlich aufliste, der Grund ist: Nach der Zwangskollektivierung in den 30-gen in der damals noch junge Sowjetunion war das Gleiche. Und daraus ist auch nichts geworden. Nicht nur das Land gehörte bei den Kommunen zu Gemeinschaft. Sogar die Frauen waren gemeinsam und gebaren jedes Jahr, was weiß ich von wem Kinder. Das muss man mir glauben. Ich kannte diese Plätze, wo die Kommuner gewohnt haben.
    Nur nicht deswegen (wegen Frauen) lösten sich solche Kommunen auf. Wie Sie, HPB schrieben: „…Zu sehr waren sie auf ihr eigenes Besitz- und Geschäftsinteresse bedacht, das sie dadurch gefährdet sahen“.
    Ja, und die Moral insbesondere die Arbeitsmoral hätte was besseres wünschen könne.
    An Sie, werter HPB, hätte ich eine Frage: Haben die Kollektivisten damals in der Sowjetunion dieses fast Manifest von Engländer abgeschrieben? Ich erinnere mich so düster an so was.

    1. @ anpe

      Wer sich in der Sowjetunion als echter Kommunist wähnte, der lehnte natürlich die bürgerliche Ehe ab, die ihm ein liebloses Zweckbündnis in Anbetracht ökonomischer Umstände erschien. Das war eine Pauschalisierung, die positive Momente dieser Form des Zusammenlebens zu negieren drohte.
      Meiner Meinung war die „Vielweiberei“ in Kommunen der SU nicht das gesellschaftliche „Normal“ sondern eher eine übertreibende Ausnahme, was heute als abschreckendes Beispiel gilt.

      Vermutlich war die erste englische Kommune, von Enthusiasten gegründet, vorbildlich. Aber wie immer begaben sich Müßiggänger und andere Taugenichtse mit auf diesen scheinbar leichten Weg, so dass es den Gegnern leicht fiel, die ganze „Kommune-Bewegung“ zu liquidieren.

      Die theoretische Basis für die revolutionäre Umgestaltung in der SU bildete das 1847/1848 von Karl Marx und Friedrich Engels formulierte „Manifest der Kommunistischen Partei“.
      In dieses Manifest flossen auch die Erkenntnisse aus der niederländischen, der englischen und der französischen Revolution ein. Ebenso des amerikanischen anti-kolonialen Befreiungskampfes, der französischen und der belgischen Revolution von 1830, der Aufstände der Seidenweber von Lyon u. a.
      Da taucht auch der Name Babeuf auf, der eine Gleichheits-Gesellschaft in Paris gründete und dort 1794/95 einen Aufstand vorbereitete.

      Lenin formulierte ab 1900 auf der Basis von Marx und Engels politische Vorstellungen, wie in Russland eine revolutionäre Veränderung herbei geführt werden könne. Die Ereignisse von 1904/1907 nach der russischen Niederlage im Krieg gegen Japan schienen diese Überlegungen zu bestätigen.
      Daraus entstand das Konzept, dass in einer künftigen Revolution das Proletariat mit seiner revolutionären Partei die Führung übernehmen müsse, um im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft die ganze Gesellschaft umzugestalten….

      1. Da wir ein wenig zur Idealisierung Russlands neigen noch ein Nachtrag:

        1848/1849 – inmitten der bürgerlichen Revolutionen in West- und Mitteleuropa – reichte das russische Potential noch aus, um die Revolution in Polen zu unterdrücken und die ungarischen Revolutionäre um Kossuth zu besiegen, wodurch die Habsburger Monarchie über Ungarn und Österreich gerettet wurde.

        Russland selbst war damals ein überwiegend agrarischer Staat auf Basis von Leibeigenschaft der „Muschiks“mit kleinen Inseln von Manufakturen oder Industrie in/bei Petersburg, Moskau und im Ural. Das Donezbecken spielte noch keine große Rolle, auch nicht die Erdölförderung bei Baku.
        Im Krimkrieg von 1853 bis 1856 erlitt Russland eine schmerzliche Niederlage gegen die Türkei und dessen westliche Verbündete Großbritannien, Frankreich, Sardinien-Piemont.
        Folglich mussten sich die Herrschenden Russlands überlegen, wie sie sich künftig gegen die wirtschaftlich entwickelten Staaten des Westens behaupten wollten..
        Würde die russische Gesellschaft weiter in dieser agrarischen Verfassung verharren, so liefe sie Gefahr zum Spielball der Westmächte und deren örtlichen Gefolgs-Mächte zu werden.

        Man schloss daraus, dass die Aufhebung der bäuerlichen Leibeigenschaft unumgänglich sei, um einerseits eine Modernisierung der Agrarwirtschaft und andererseits Arbeitskräfte für Handwerk, Transportwesen und Industrie frei zu setzen. Eine nachholende wirtschaftliche Entwicklung schien der Ausweg.
        Deshalb wurde 1861 die Leibeigenschaft abgeschafft. Um den Widerstand der Gutsbesitzer zu besänftigen, waren die Bauern gezwungen, sich frei zu kaufen. Mittels solcher Art von Entschädigung konnte die Gutsbesitzer den Verlust der Leibeigenen gut verschmerzen, denn finanziell standen sie besser da als vorher.
        Für die Entwicklung einer kapitalistischen einzel-bäuerlichen Landwirtschaft war das aber eine schwere Bürde.

        Deshalb betrachteten die Revolutionäre der Narodowolzen die Bauernschaft als die am stärksten ausgebeutete gesellschaftliche Klasse und hegten große Hoffnungen bezüglich des revolutionären Geistes der Bauern. Sie hatten dabei die Bauernaufstände von Stepan Rasin, Jemeljan Pugatschow u. a. vor Augen.
        Aber der revolutionäre Terror (der vermutlich sogar durch Interessenten in GB und Frankreich unterstützt wurde) vermochte das russische Reich nicht grundlegend zu erschüttern. Lenins Bruder Alexander gehörte einer solchen terroristischen Gruppe an. Bei der Vorbereitung eines Attentats auf den Zaren wurde er inhaftiert, vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und 1887 in Schlüsselburg hingerichtet. Für den erst 16-jährigen, jüngeren Bruder Wladimir war das ein schwerer Verlust, der ihn dazu trieb, das Werk von Alexander mit anderen Mitteln fortzusetzen.
        Er schärfte seinen Blick für Ausbeutung und Unterdrückung in Russland und suchte beharrlich nach den sozialen Klassen und Schichten, die im Gegensatz zum Zarismus standen und als „revolutionäres Subjekt“ für einen Umsturz in Frage kamen.
        Dank Plechanow, der die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels ins Russische übersetzt hatte, stieß er auf die „historische Mission der Arbeiterklasse“ und beschloss, sein weiteres Leben der Verwirklichung dieser Mission zu widmen.

        Wenn sich ab 1861 im russischen Reich Vieles veränderte, dann weil sich die äußeren Existenzbedingungen veränderten und die Herrschenden gezwungen waren, sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Gelang es ab 1861 zunächst, auf dem Wege von Reformen das Land schrittweise zu modernisieren, so mündete die nächste Kriegs-Niederlage 1905 in die erste Revolution.

  19. Ich komme noch einmal auf Lenin und Russland zurück, denn historisch kann man Lenin durchaus als „Erben der englischen Revolution“ betrachten. Hier aber keine „revolutionären Details“.

    Noch während sich der junge Wladimir in Plechanows Russisch-Übersetzungen der Werke von Marx und Engels ein las, begann er mit eigenen Analysen der wirtschaftlichen Verhältnisse Russlands. 1893 (da war er 23 Jahre alt) erschien sein „Neue wirtschaftliche Vorgänge im bäuerlichen Leben“. Offensichtlich wollte er dabei heraus finden, ob die Hoffnungen der „Norodniki“ bezüglich der revolutionären Gesinnung der russischen Bauernschaft trogen. Tatsächlich ließ sich feststellen, dass die Entwicklung zu einer (wenn auch verkrüppelten) kapitalistischen Agrar-Ökonomie voran schritt. Der reichere Teil der Bauernschaft würde keinesfalls als „revolutionäres Subjekt“ taugen.
    Lenins deftige Kritik an den Volkstümler ging mit vermehrter Aufmerksamkeit für die Arbeiter in den industriellen Zentren einher.

    Als Lenin dann die politische Bühne der russischen Sozialdemokratie betrat, war die deutsche Sozialdemokratie unter Führung von Wilhelm Liebknecht und August Bebel schon fast 30 Jahre alt. Nach dem anfänglichen Streit zwischen den Anhängern Ferdinand Lassalles und Karl Marx (Gothaer Programm) hatte man sich auf das Erfurter Programm geeinigt, mit dem Friedrich Engels dann recht zufrieden war.
    Doch das Sozialistengesetz und die Sozialgesetzgebung Bismarcks (Zuckerbrot und Peitsche) hatten die Entwicklung der Sozialdemokratie maßgeblich beeinflusst. Einerseits hatte sie sich in der Illegalität ein revolutionäres Programm gegeben und andererseits nach legalen Betätigungs-Möglichkeiten in Vereinen und Gewerkschaften gestrebt, um ihren Einfluss zu bewahren und auszubauen.

    Je erfolgreicher, desto mehr traten Züge von „Vereinsmeierei“ und Opportunismus zutage. Als schließlich das Sozialisten-Gesetz mit Bismarcks Rücktritt fiel, standen Leute wie Eduard Bernstein bereit, die meinten, dass man jetzt auf den revolutionären Weg zugunsten von Reformen verzichten könne. Diese politische Richtung der Sozialdemokratie wurde mit den Schlagworten „Reformismus“ und „Revisionismus“ (Revision der Lehren von Marx und Engels) etikettiert.

    Was für das Deutsche Reich aufgrund des Wahlrechts zu solch hoffnungsvollen Überlegungen Anlass gab, taugte aber nach Lenins Auffassung für Russland unter der „zaristischen Selbstherrschaft“ überhaupt nicht. Hier wurde jeder Arbeitskampf zugunsten höherer Löhne mit Polizeigewalt unterdrückt. Nur die in großen Betrieben organisierten Arbeiten hatten die Potenz, unter solchen Bedingungen zum Erfolg zu kommen.

    Aufgrund der besonderen Umstände in Wirtschaft und Politik Russlands wurde Lenin zu einem scharfen Kritiker der Volkstümler und der sozialdemokratischen Revisionisten, weil nur der revolutionäre Weg eine durchgreifende Modernislerung Russlands zu versprechen schien. In „Was tun?“ (1902) und „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ (1904) formulierte er seine Vorstellungen zur revolutionären Strategie und Taktik der Avantgarde des Proletariats. Die scharfen Diskussionen dazu führten 1903 zur Spaltung der Sozialdemokratie in zwei Fraktionen. Die Mehrheit (Bolschewiki) neigte Lenin zu, die Minderheit (Menschewiki) Martow. Auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse später mehrfach wandelten, blieb es bei diesen Bezeichnungen.
    (Unter Lenins Führung ging später aus den Bolschewiki die Kommunistische Partei der Sowjetunion hervor.)

    Mit Schriften wie „Marxismus und Revisionismus“ (1908) und „Materialismus und Empiriokritizismus“ (1909) fundierte Lenin seine Kritik theoretisch. 1913 folgte „Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus“.
    1917 erschien nach weiteren Schriften „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ als Erkenntnisstand der damaligen Zeit. Im gleichen Jahr noch „Staat und Revolution“.

    Ich will einigen Fakten nachgehen, die die Charakterisierung Russlands als imperiale bzw. imperialistische Macht durchaus rechtfertigen.
    Wie an anderer Stelle schon ausgeführt, wurde der russische Angriff auf das Khanat Kokand von 1853, der mit der Eroberung der Festung Ac Masjid endete, zum Auslöser der britischen Befürchtungen um ihren kolonialen Juwel Indien (nachdem diese kurz zuvor das Reich des Sikh in Nordindien erobert hatten). Dies trieb die Machthaber an der Themse zur Parteinahme für die Türkei im Krimkrieg, um Russland in seinem Drang nach Süden zu stoppen.
    Russland darf man aber zugute halten, dass das Khanat seit 1826 dem kasachischen Adel der Großen Horde Asyl gewährte, der dort Streitkräfte rekrutierte, um in Kasachstan gegen Russland zu kämpfen (Hodsha-Aufstand). Folglich war die russische Herrschaft über die Kasachen, die zunächst freiwillig russischen Schutz vor den Dsungaren erbeten hatten, durchaus nicht so spannungsfrei wie man sich das idealerweise vorstellt.

    Nach der Niederlage im Krimkrieg musste Russland seine Kriegsmarine im Schwarzen Meer abrüsten. Trotzdem strebte es nach Kompensation für die Verluste. Zunächst wurde die russische Armee im Kaukasus aktiv. Es gelang, die verbliebenen Streitkräfte Schamils 1857 / 1858 in Daghestan zu vernichten und den Anführer 1859 zu fangen.
    Ab 1865 rückten russische Streitkräfte in Mittelasien vor. 1865 wurde Taschkent erobert, 1866 Chodschent, 1868 Samarkand und Buchara. Die mittelasiatischen Staaten wurden zunächst in russische Protektorate umgewandelt, bevor die Annexion und Eingliederung in das Gouvernement Russisch-Turkestan erfolgte.

    Auch am Mandschu-Reich Chinas hielt sich Russland schadlos. Zwar hatte man sich im Vertrag von Nertschinsk 1689 prinzipiell über den Grenzverlauf zwischen Russland und China geeinigt, aber erst der Vertrag von Kjachta 1727 präzisierte das hinreichend. Demnach verblieb die gesamte äußere Mandschurei bei China.
    Noch während des Krimkrieges begannen Russen mit der Inbesitznahme von Regionen der äußeren Mandschurei. 1858 wurde das durch die britischen Opium-Kriege geschwächte Mandschu-Reich gezwungen, diese Gewaltakte mit dem Vertrag von Aigun für alle Gebiete nördlich des Amur und 1860 mit der Pekinger Konvention für die Gebiete östlich des Ussuri bis zum späteren Wladiwostok anzuerkennen.

    Nach heutigem Völkerrecht und damaligen Lenin-Verständnis waren das durchaus gewaltsame imperialistische Annexionen, die den schwachen Nachbarn auferlegt wurden.
    1877/1878 bot sich für Russland die Möglichkeit im russisch-osmanischen Krieg Revanche für die Niederlage im Krimkrieg zu nehmen, wobei dieser Krieg im Gefolge des bulgarischen Aufstandes höhere Weihen durch die Loslösung eines Teils von Bulgarien aus dem osmanischen Reich erhielt. (Siehe auch Berliner Kongress).
    Obwohl dieser Krieg der außenpolitischen Fassade Russlands einen Freiheits-Anstrich gab, blieb den Kritikern das Wesen der Sache nicht verborgen.

    Lenin hatte natürlich ein scharfes Auge dafür. Er stellte aber auch fest, dass trotz der Zurückgebliebenheit Russlands auf wirtschaftlichen Gebiet sich im Lande die gleichen Tendenzen wie in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA abzuzeichnen begannen. Überall schoben sich seit 1994 marktbeherrschende Konzerne, Trusts in den Vordergrund, begleitet von kolonialer Aufteilung der Welt und Kapitalexport.
    Diese Entwicklung machte um Russland keinen Bogen. Im Gegenteil. Es beteiligte sich aktiv an dem Wettlauf um Territorien, Märkte und Ressourcen und trat nicht weniger imperialistisch als seine Konkurrenten auf.
    In seinem Werk „Der Imperialismus als höchste Stadium…“ fasste er die Erkenntnisse zusammen. Er charakterisierte die imperialistischen Staaten (jeden einzeln) als eine Kette, die angesichts der Kriegsereignisse zuerst an ihrem schwächsten Glied (Russland) reißen werde. Die Februarrevolution in Russland (bei Erscheinen 1917 bereits im Gange) bestätigte diese Überlegung.

    1. Werter HPB, vielen Dank für Ihren kostenlosen Unterricht. Habe alles ausgedruckt und hefte es ab. Sehr, sehr interessant. Nach diesem Kommentar konnte ich mich so an einiges erinnern. Bereits in der Schule mit 15 – 16 Jahren mussten wir es im Geschichtsunterricht lernen. Mit 16 ließ man das Werk vom Lenin „Staat und Revolution“. Jedoch eine kleine Anmerkung: es war eine gute Schule, die ich besucht habe. In einer anderen Schule war es möglicherweise nicht so. Und während des Studiums war es obligatorisch, die Werke von Lenin zu studieren. Schon lange her, deshalb muss ich mühsam in meiner Erinnerung herumkramen. Sehr aufmerksam laß ich es mit russisch-osmanischem Befreiungskrieg im 1877/1878. Als Dankbarkeit haben die Bulgaren dem russischen Zar Aleksander II, dem „Befreier“ ein pompöses Denkmal bei der Stadt Plovdiv aufgestellt. Im Jahre 1986 habe ich diese Stadt besucht und das majestätisches Denkmal gesehen.
      Wie Sie schrieben, überall schoben sich seit 1894 in Russland marktbeherrschende Konzerne und alle solche Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass beide Revolutionen im 1917 zustande kammen.

      1. @ anpe

        Danke, dass Sie die richtige Jahreszahl 1894 für das marktbeherrschende Aufkommen von Industrie-Monopolen (Konzerne, Syndikate, Trusts) benennen.

        Erwähnt sei noch, und das erkannte auch Lenin schon, dass jede Monopolstellung zugleich eine Machtstellung gegenüber nicht-monopolisierten Konkurrenten verkörperte und Extra-Profit generierte (Monopol-Profit).
        Das hatte also schon nichts mehr mit freier Konkurrenz sondern mit Beherrschung von Kunden, Lieferanten und Konkurrenten zu tun.
        Im Jahr 1894 endete in den USA die Wirtschaftskrise, in der viele Unternehmen pleite gingen und die überlebenden Industrie-Unternehmen die verwertbaren Reste der Pleitiers übernahmen (ein Prozess der Zentralisierung und Konzentration des Kapitals).

        Der 120-Jahre-Kress-Zyklus begann 1894 und ging 2014 zu Ende. Man könnte ihn als den Wirtschaftszyklus des industriellen Monopol-Kapitalismus plus staats-monopolistischen Kapitalismus bezeichnen.
        Jetzt stecken wir in einer strukturellen und Überakkumulations-Krise, die wahrscheinlich nur durch Auflösung vieler Monopolstrukturen lösbar ist.
        Über den Charakter des gerade begonnen, neuen Wirtschaftszyklus lässt sich erst mal nur spekulieren.

  20. Werter HPB,

    vielen lieben Dank für diesen ausführlichen Artikel. Die englische Revolution war bisher eher noch ein blinder Fleck in meinem Geschichtswissen.

    Was mir aufgefallen ist, sind die deutlichen Parallelen zu anderen Revolutionen, etwa der französischen (hier sehe ich auch solche zwischen Oliver Cromwell und Napoleon Bonaparte) und der russischen.

    Man nutzt die sozioökonomischen Missstände im jeweiligen Land aus, in dem man eine verheißungsvolle Ideologie verbreitet (Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit, kommunistisches Manifest), mobilisiert damit die bis dato unterprivilegierten Bevölkerungsschichten als Kanonenfutter für die Revolution und wenn man dann die Macht hat, etabliert mein ein Terrorregime (hier die Puritaner und New Model Army, später in La France die Jakobiner, und in der SU die Tscheka) zur Konsolidierung der eigenen Macht, mit weit schlimmeren Gewaltexzessen als in der vorigen Gesellschaftsordnung und von den großen Verheißungen bleibt am Ende nicht viel übrig, wie man in diesem Fall am Beispiel der Leveller und Digger wieder gut sehen kann. Am Ende wurde lediglich die alte herrschende Klasse durch eine neue ersetzt.

    Und das ist wohl auch das primäre Ziel all dieser Revolutionen, alles andere ist nur propagandistisches Blingbling.

    Ich meine mich auch zu erinnern, dass unter Oliver Cromwell große Reformen zum Thema Judenemanzipation getätigt wurden, so wie es später auch in Frankreich (Napoleon soll erstmals die Idee vom Judenstaat in Palästina angestrebt haben) passierte und in der SU sowieso, was hier ja bekannt ein sollte.

    Zu diesem letzten Punkt hätten mich noch ein paar Details interessiert. Immerhin erkennt man hier am ehesten die Triebfeder, die alle drei großen Revolutionen verbindet. denn der Ruf der kleinen Leute nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit war es bestimmt nicht. Sonst hätte auch das Endergebnis anders ausgesehen.

    Gruß Mohnhoff

    1. @ Mohnhoff

      Im ersten Teil zur „englischen Revolution“ waren wir im Kommentar-Bereich auf die Rolle der Juden gekommen.

      https://vineyardsaker.de/2019/03/20/hbp-die-englische-revolution/

      Zwar gab es schon zu O. Cromwells Zeiten das jüdische Eintritts-Begehren, aber der Lord- Protector ließ damals Vorsicht walten und nur wenige „durch die Hintertür“ eintreten.
      Das gesamte Revolutions-Geschehen ist folglich das Werk der Briten mit all ihren Interessen-Unterschieden und -Gegensätzen selbst.
      Jetzt auf die Juden als dritte Partei zu schließen, wäre nicht korrekt. Größeres Gewicht hätten da (während des Bürgerkrieges) die Kurpfalz, die König Karl mit Streitkräften beistand und später auch Frankreich, das royalistische Unternehmungen begünstigte. Aber darauf komme ich noch im letzten Teil.
      Allgemein lässt sich jedoch feststellen, dass jede äußere Einmischung dazu tendierte, Ausmaß und Intensität von gewaltsamen Aktionen zu verstärken und dadurch die anfängliche revolutionäre Ethik durch Opfer und ganze Blutbäder zu beschmutzen.

      1. Hallo HPB,

        danke für die Einschätzung. Mein bisheriger Verdacht war, dass die engl. Revolution die erste nach diesem Muster war. Scheinbar ist dem nicht so. In der franz. Revolution soll der Illuminatenorden bzw. dessen Ableger eine treibende Kraft gewesen sein. Zumindest gibt es starke Indizien dafür (offiziell war er 1789 ja nicht mehr existent), weil man bei Hausdurchsuchungen Schriften mit Strategien und Handlungsvorgaben gefunden hat, die in der franz. Revolution 1:1 zur Anwendung kamen. Allerdings wurde der Orden auch erst 1776 gegründet, wenn ich mich recht erinnere, also lange nach der englischen Revolution.

        Mit den Puritanern muss ich mich wohl auch mal befassen. In Amerika haben die ja auch ihren Abdruck hinterlassen.

        Gruß Mohnhoff

  21. Auch ich habe in der DDR im Geschichts- und Staatsbürgerkunde-Unterricht diese Märchen über die Produktivkräfte und die revolutionäre Arbeiterklasse gelernt.
    Doch wie lief das 1789 und 1917 wirklich ab? Beides waren keine *Revolutionen*, sondern lang geplante und sehr gut vorbereitete Putsche, die exakt choreografiert wurden. Beide Male von den üblichen Verdächtigen. Beispiel *Oktober-Revolution*:

    Trotzki/Bernstein, ein Khasare der Oberschicht wurde mit Millionen Summen unterstützt und nach Russland geschleust. Einer der Geldgeber: Warburg.
    Lenin wurde im berühmten versiegelten Zug durch Deutschland nach Russland gebracht. Bis heute werden der Kaiser und die Seinen wegen dieser Dummheit verlacht.

    Die Blauäugigkeit des Kaisers bestand in der Ernenneung des deutschen Geheimdienstchefs, der die Operation organisierte: Ein Mann namens Warburg.
    Seltsame Zufälle gibt es in der Geschichte.

    1. @ Ekstroem

      Ob nun Märchen oder nicht, man kann eine historische Angelegenheit – aktuell oder im nachhinein – von gänzlich unterschiedlichen Gesichtspunkten aus betrachten.

      Bei dem Einen ist Marx dann der größte Revolutionär aller Zeiten und bei dem Anderen ein abgefeimter Agent des preußischen Innen-Ministers, der sich dann auch noch den Engländern verdingte.

      Aber das „Normale“ an einer sehr bedeutsamen Entwicklung wie der in Russland heran reifenden revolutionären Situation besteht wohl darin, dass alle relevanten Interessengruppen der damaligen Zeit, denen die Bedeutung nicht verborgen blieb, versuchten, darauf Einfluss zu nehmen und dafür „ihre Leute“ zu platzieren.
      Inwiefern „ihre Leute“ dann wirklich den Interessengruppen als gehorsame Marionetten dienen konnten, steht schon auf einem ganz anderen Blatt.

      Aus der Art und Weise, wie 1917 bestimmte Figuren mit welchen Mitteln auf den Schauplatz Russland gelangten, auf den Charakter der Umwälzungen zu schließen, dürfte fehl gehen (ist aber ein beliebtes Mittel für eine „schiefe Beleuchtung“, um Erkenntnisgewinn zu verbauen).

      PS: Leider kann ich ab morgen erst mal nicht mehr kommentieren, weil ich drei Enkel auf einer Ferienfahrt bändigen muss.

    2. @HPB
      Sicherlich kann man alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Das ist sogar eine Notwendigkeit, um das Bild zu weiten. Eine Gefahr besteht allerdings. Wenn man es hier übertreibt, landet man unweigerlich bei der Relativierung des Kernpunktes.
      Im obigen Kommentar (28.6.19) hatte ich die khasarische Finanzierung und logistische Exekution des bolschewistischen Putsches von 1917 in Moskau nur kurz skizziert. Unter der Überschrift „Die treibende Kraft hinter der russischen Revolution von 1917“ gibt es heute einen Artikel bei der „Heimkehr“, der den Sachverhalt ausführlicher beleuchtet:

      http://die-heimkehr.info/geschichte/die-treibende-kraft-hinter-der-russischen-revolution-von-1917/

      Zitat aus dem Artikel:

      „Die kleine Nebensächlichkeit dabei ist, daß es keine Revolution der Arbeiter und Bauern war, sondern, daß sich die Khasaren, welche den Kern der Zionisten bilden und die mit der Gründung der FED praktisch die USA schon zu 100% beherrschten, sich die Macht über `ihr Land´ [Anmerkung: Das khasarische Kern-Reich], aus welchem sie vom ca. 1000 Jahre vorher entstandenem russischen Reich verdrängt worden waren, wieder holten. Auf die Zahl von 95% Juden an den Funktionären der `russischen´ Revolution hinzuweisen ist natürlich politisch nicht korrekt, wie Martin Hohmann 2003 erfahren durfte.“

      Die Wahrheit drängt immer mehr ans Licht.

    3. @ Ekstroem

      Ich komme noch mal auf die „Märchen über die Produktivkräfte“ aus DDR-Zeiten zurück. Das klingt wie bei meinen Söhnen, die nach jedem „Strohhalm“ greifen, der scheinbar überzeugend rechtfertigt bzw. begründet, warum das „sozial-ökonomische Experiment“ in der Sowjetunion, in der DDR scheitern musste.
      Ob nun die österreichische Schule der Nationalökonomie (von Mises, von Hayek, Murray Rothbard) oder Ayn Rand („Der Streik“), ich wurde reichlich mit Literatur versorgt, die mir beweisen sollte, dass es da nichts zu lernen gab. Der aktuelle Höhepunkt ist ein russischer Mathematik-Professor, der dem „Todestrieb des Sozialismus“ in der Geschichte nachspürte und haufenweise historische Beispiele für seine These zusammentrug, ohne sich je die Mühe zu machen, die ökonomischen und sonstigen Verhältnisse jener Zeiten zu untersuchen, die solche Ideen und Bewegungen hervor brachten.

      Zum „Märchen der Produktivkräfte“ gehört auch das „Märchen der Produktionsverhältnisse“.
      Der Erste Sizilianische Sklavenaufstand von 136 bis 132 v. u. Z. und der Aufstand des Aristonikos in Pergamon gegen Rom von 133 bis 129 v. u. Z. waren ebenso wenig wie der Aufstand des Spartacus (73-71 v. u..Z.) Erfindungen roter Propagandisten, sondern Kennzeichen einer ökonomischen Gesellschaftsformation, für die gewisse Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse aber auch Kämpfe charakteristisch waren.
      Später – als zu hoher Aufwand den Nutzen der Sklaverei schmälerte und mangels Expansion des Reiches der Sklaven-Nachschub ausblieb – siedelten die Grundherren lieber „Kolonen“ an. So haben ich das mal gelernt.
      In der Feudalzeit (nach der Völkerwanderung) änderten sich die Verhältnisse. Pfründe und feudale Besitztümer hatten nur dann irgendwelchen Wert, wenn Dörfer – also Bauern und Handwerker – mit ihren Fronleistungen und Abgaben die Speicher und Schatullen der Herren füllten. Man benötigte fest verwurzelte Produzenten, die sich widerstandslos den auferlegten Lasten fügten. Eine andere ökonomische Gesellschaftsformation.

      Ausgangs des 16. Jahrhunderts entstanden im HRR Formen der Leibeigenschaft, die in ihrer Strenge denen im Russischen Reich durchaus ähnlich waren. Ein Rätsel, das im Staatsbürgerkunde-Unterricht vielleicht nicht aufgelöst wurde, doch heute lösbar ist.
      Einerseits hatten die deutschen Bauern und Handwerker im Großen Deutschen Bauernkrieg 1524/25 eine Niederlage erlitten, die es den Siegern gestattete, die Unterdrückung und Ausbeutung der Verlierer zu verschärfen. Dennoch entwickelten sich durch Handwerk, Handel und Gewerbe in den Städten Keimformen von Marktwirtschaft und „Kapitalismus“.
      Andererseits verschlechterten sich mit der „kleinen Eiszeit“ ab 1570 die klimatischen Verhältnisse. Das heißt, die Produktivität der Natur ging durch kältere Winter, verregnete Sommer usw. trotz steigender Arbeitsleistung der Produzenten zurück. Die Bodenrente der großen Grundeigentümer wurde dadurch gemindert und fiel noch schlechter aus, wenn die Produzenten gar einfach weg liefen und in den Städten nach besserem Auskommen suchten. Folglich musste man sie durch Leibeigenschaft auf dem Boden „festbinden“. Der aufkeimende Kapitalismus wurde so also zum Auslöser der restriktivsten Produktions-Verhältnisse in der deutschen Agrar-Ökonomie.

      Bezüglich des Kapitalismus lernte ich damals, dass es zunächst eine ursprüngliche Akkumulation von Kapital gab, durch Raub und Piraterie, durch Wucher, durch Handelsmonopole wie denen der Fugger und Welser einschließlich des Verlagswesens, durch Kolonialhandel, durch Ansammlung von Steuern und Abgaben in den Händen von Grundherren und Kirchen usw.
      Damit der Manufaktur- und Industriekapitalismus überhaupt in Gang kommen konnte, bedurfte er neben dem Unternehmer und dessen Kapital des doppelt freien Lohnarbeiters. Frei von feudalen Restriktionen und frei von eigenen Produktionsmitteln, die ihm ein eigenes Produzieren und Einkommen gewähren konnten. Diese Leute mussten daher erst ihrer Produktionsmittel enteignet werden, ehe sie der modernen Form der Knechtschaft verfügbar waren (als Expropriation bezeichnet).
      Erste Formen des Manufakturbetriebs fanden sich in der Textil-Wirtschaft und im seriellen Schiffbau Venedigs und der Niederlande.

      Später folgte die ökonomische Gesellschaftsformation des Kapitalismus, die nun – nach Auffassung ihrer Apologeten – bis in alle Ewigkeit die Beste und Beständige sein wird, und es ginge gar nicht anders.

      Genau diesem Zweck dienen all die Veröffentlichungen über Trotzkis und Lenins Weg nach Russland, die Werke der österreichischen Schule und anderer. Man solle es für unmöglich halten, dass nach dem Kapitalismus noch etwas Besseres käme.
      Bei Ayn Rand und anderen Autoren wird das Hohelied des Unternehmers gesungen, der sein Kapital eifrig und kompetent bewirtschaftet. Doch zwei wichtige Aspekte sucht man dort meist vergebens: Die Entfremdung des Produzenten von seinem Produkt und die Eigenschaft des fungierenden Kapitals, auch ein Herrschaftsverhältnis zu sein.
      Mit Entfremdung ist gemeint, dass der Produzent (Arbeiter, Unternehmer) das Produkt auf dem Markt dem Käufer zur Konsumtion überlässt. Es entwächst somit dessen Kontrolle!
      Reproduktion des Kapitals bedeutet nicht nur, dass am Ende des Zyklus nach entsprechendem Formenwandel das Kapital wieder vollumfänglich verfügbar ist, sondern auch, dass sich dann noch immer der Kapitalist und der doppelt freie Lohnarbeiter in einem Herrschafts- bzw. Abhängigkeits-Verhältnis gegenüber stehen. Der Reproduktions-Prozess schließt die Reproduktion/Erneuerung dieses Macht- und Herrschafts-Verhältnisses mit ein! Nur dann kann sich Kapitalismus auf seiner eigenen Grundlage entwickeln und weiter bestehen.

      Allerdings wird die heranreifende Wirtschaftskrise in den 2020-ern alle Apologeten des Kapitalismus auf eine harte Probe stellen. Die Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie haben jetzt schon in Südamerika allergrößte Probleme, das wirtschaftliche Gedeihen in ihrem dortigen Einflussgebiet unter Beweis zu stellen. Es kommen harte Zeiten.

      Ekstroem, gewiss verdient das in der DDR Gelernte Kritik. Aber Kritik nicht nur im Sinne von Ablehnung sondern auch im Sinne von Aneignung. Das war durchaus nicht alles verkehrt. Wenn Sie das mit der kritischen Aneignung hin bekämen, könnten Sie publizistisch in den nächsten zehn Jahren eine Wirkung und Reichweite erlangen, von der Sie heute nicht mal zu träumen wagen.

      1. Werter HPB, vielleicht ist mein Kommentar zu dem Thema hier unpassend, aber ich möchte folgendes zur Sprache bringen.
        Sie schreiben:
        „Ausgangs des 16. Jahrhunderts entstanden im HRR Formen der Leibeigenschaft, die in ihrer Strenge denen im Russischen Reich durchaus ähnlich waren.“
        Bis zuletzt war ich davon überzeugt, dass die Leibeigenschaft in Russland vor der Leibeigenschaft in Europa entstand und zwar zwecks der Zwangsbindung von Sklaven an die Grundeigentümer. Nun nachdem das meiste Archivmaterial in Russland frei gegeben worden ist, lese ich in einigen Quellen, z.B., https://cont.ws/@id336024532/784160 (jedoch russisch), fast das Gegenteil. Ob ich auch der angegebenen Quelle Glauben schenken kann, bin ich mir dann doch nicht so sicher.
        So liest man: die Leibeigenschaft in Klein Tartarien (Moskowia) wurde aus Liwonien (Baltikum) nach Russland gebracht. Hinter dem Ural gab es aber keine Leibeigenschaft, erst dann als Katharina II Jemelian Pugatschew (den letzten Herrscher der Gross Tartarien) „besiegt“ hatte, haben die Romanovs den Zugang nach Sibirien erkämpft und in ein Gefangenschaftsgebiet umgewandelt.
        Und man liest, dass der echte Zar Peter der Große während seiner Botschaftsfahrt nach Niederlanden auf einen Doppelgänger umgetauscht wurde und nachdem der „Zar“ aus dem Ausland zurück kam führte er eine Leibeigenschaft ein. Es war wohl der selbst ernannte „Zar“ Peter, der die Bauern den Grundbesitzern übergab und dementsprechend sie in Sklaven für immer umgewandelt hat. Diese so zu sagen „Maßnahme“ wird dem Ivan den Schrecklichen zugeschoben. Nur während seiner Herrschaft hat Russland von der Leibeigenschaft nichts gewusst.
        Sie schreiben, „Erste Formen des Manufakturbetriebs fanden sich in der Textil-Wirtschaft und im seriellen Schiffbau Venedigs und der Niederlande“. Und unter diesem Vorwand wurde der junge Zar Peter Fedorovitsch ins Ausland gelockt. Ob es wirklich so war, kann keiner wissen.

        1. @ anpe

          Danke für Ihre Hinweise.

          Über die Ausprägung der Leibeigenschaft in Russland besteht sicher noch Klärungs-Bedarf.
          In der offiziellen Geschichtsschreibung wird der Beginn der sibirischen Eroberung (auf Initiative der Nowgoroder Kaufmannsfamilie Stroganow) dem Kosakenführer Jermak ab 1582 mit seinem Zug gegen das Chanat Sibir zugeschrieben. Dafür sprechen die Gründungs-Daten der Städte Tjumen (1586) und Tobolsk (1587).

          Wladimir Putin antwortete kürzlich in einem offiziellen Interview auf die Frage nach seinem persönlichen Vorbild mit Peter, dem, Großen, wobei die Modernisierung Russlands und der Sieg im Großen Nordischen Krieg gegen Schweden (bis 1721) eine große Rolle spielen dürften.
          Ich vermute, dass die immer wieder zum Vorschein kommenden Zweifel an Zar Peters Identität genau diese Vorbild-Rolle untergraben (sollen).

        2. @ anpe

          Als Serbe neige ich natürlich dazu, diese Version „zu glauben“ (aber, macht das nicht JEDER?). Es könnte sein, dass der Ural – für lange Zeit in der neueren Geschichte Russlands – sozusagen die Grenze zw. freien und mehr oder weniger versklavten Russen war (dass der Kommunismus im äußersten Westen der RF Fuß gefasst hat, ist kein Zufall …).

          Aber gehen wir einfach logisch vor.

          1. Offensichtlich werden wir auf Schritt und tritt angelogen (einer der Hauptgründe/Motive, wieso wir hier überhaupt schreiben …).

          2. Wenn der notorische Lügner hier und heute lügt, dann kann man ihm „seine/unsere“ Vergangenheit wohl „schwer abnehmen“.

          Wie würde die heutige „Geschichte“ aussehen, wenn sie ein Soros Jünger in 40 – 50 Jahren (Voraussetzung: u. a. kein freies Internet mehr) verfassen würde?

          Da hätten wir folgende Machthaber:

          – Angela die Mächtige
          – Obimbo der Weise
          – Vladimir der Schreckliche
          – Viktor (Orban) der Grausame
          – Xi der Diebische … oder Verlogene (naja … klingt nicht besonders … aber er hat ja dem wertewesten „seine“ Ideen gestohlen …).

          usw. usf.

          Die dazu passenden Interaktionen (von einem Soros Jünger verfasst), kann sich wohl jeder ausmalen …

          1. Ein weiteres Beispiel wäre Alexander „der Große“.

            Offensichtlich war er Slawe (somit Arier). Ein Gelehrter (aus Ägypten … woher auch sonst …) soll starken Einfluss auf ihn gehabt haben. Letztendlich ihn dermaßen manipuliert bzw. aufgehetzt haben, dass er auf seine Brüder (die Perser) „losging“.

            Er soll auch nicht bis zum (heutigen) Indien gekommen sein, sondern viel weiter; bis nach Sibirien (India Superior). Dort soll er von Weisen aufgeklärt worden sein. Aus Kummer über seine Schandtaten ist er dann auf „der Heimreise eingegangen“ …

            Eine „etwas andere Version“ … kann stimmen … muss es nicht …

            1. Geschätzte @HPB und @Sloga,
              danke für Ihre Antworten. Hier noch ein kleiner Vermerk. Einer der wichstigsten russichen Schriftsteller der 1970er Jahre Valentin Rasputin schrieb: „Russland ist noch dadurch entstanden, um allen anderen Ländern als schreckliches Vorbild zu dienen.“
              Und so ist es. Seine Bücher habe ich sehr gerne gelesen.

              Schönes WE

    4. @HPB
      Zugegeben, ich reagiere fast allergisch auf die „einzige wissenschaftliche Weltanschauung“. Das hat persönliche Gründe.
      Marx, seine Nachfolger, und der Marxismus – eine sehr zwielichtige Figur, sowie eine wichtige geistige Strömung und politische Bewegung (die die Welt veränderte).
      Marx wird, wohl zurecht, selbst von vielen hervorragenden konservativen Denkern als ausgezeichneter Analytiker und insbesondere Ökonom geschätzt.
      Was ist Geschichte? Was treibt Geschichte an, wer/was gestaltet sie?
      Die Antworten von Marx und seinen Nachfolgern auf diese grundlegenden Fragen sind materialistischer Natur. Sie können deshalb nur an der materiellen Oberfläche von Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft etc herumdoktern.
      Und wie die materialistischen Medizin-Doktoren bringen sie dabei Millionen von Menschen um, anstatt zu heilen.

      Es ging ja um die Ursache der Putsche von 1789 und 1917.
      Gerade diese beiden einschneidenden Ereignisse rissen schlaglichtartig das Wirken von bestimmten Gruppen, Gesellschaften, Kräften auf der Weltbühne in gleißendes Licht. Die dunklen Kräfte, die Strippenzieher im Hintergrund, die (teilweise) die Geschichte machen, wurden erstmals sichtbar.
      Heute hat dieses Sichtbarwerden der „Finsterlinge“ noch einmal gewaltig an Fahrt aufgenommen. Die Punkte zwei und vier der Punkte, die die jetzige goldene Ära prägen:

      1. Die Menschen wachen auf.
      2. Die Wahrheit drängt ans Licht.
      3. Die geschichtliche und gesellschaftliche Entwicklungsrichtung ändert sich.
      4. Die Machthaber und ihre Diener entlarven sich immer mehr selbst.

      Zustimmung, pauschal ablehnende Kritik ist kontraproduktiv. Es gibt viele Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß. Deswegen ist es wichtig, alles anzuschauen – im Lichte der Wahrheiten, die heute erst so richtig deutlich werden.

      1. @ Ekstroem

        Danke für Ihre Antwort.

        Noch eine Anmerkung zum historischen Materialismus. Ich denke, dass Sie da einem weit verbreiteten – und noch dazu verabsolutierten – Irrtum aufsitzen.
        Eigentlich ist der historische Materialismus in erster Linie ein Forschungsmethode, die sich auf die materielle Hinterlassenschaft früherer Kulturen stützt, also archäologische (fossile) Zeugnisse, bauliche Überreste, alte Urkunden, Chroniken, Kalender, Steuerrollen, Grundbücher etc.

        Bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es aus wissenschaftlicher Sicht offenbar keine bessere Grundlage zur Analyse und Erklärung des Geschichtsprozesses. Schließlich zeugten die physischen Hinterlassenschaften ja auch vom Denken, Planen und Handeln der Menschen.

        Aus heutiger Sicht sind durchaus ergänzende oder gar bessere Forschungsmethoden denkbar, die vom subjektiven Erleben des Einzelnen ausgehen.
        Ich hatte schon bei früherer Gelegenheit auf Erfahrungen mit meiner Frau verwiesen, bei denen körperliche Erleichterungs-Prozeduren in „Rückführungen“ mündeten, wobei Erlebnisse des zweiten Weltkrieges, des Mittelalters und viel früherer Zeiten ins Blickfeld traten. Da wurden die genauen Umstände sicht- und fühlbar.

        Prinzipiell lässt sich jedes „Rückführungs-Ereignis“ genau (in Jahreszahlen, Monaten usw.) datieren, so dass daraus eine „individuelle Chronik“ (zeitlich und lokal sehr begrenzt) entstünde. Doch könnte man durch statistisch-signifikant abgesicherte Forschungen heute aus den einzelnen „Chronik-Splittern“ vieler Menschen einen subjektiv basierten Geschichts-Verlauf der Menschheit „heraus destillieren“, der (vermutlich) durchaus weit von der materiell-objektiv begründeten Geschichtserzählung abwiche.

        Nur kenne ich niemanden, der sich damit ernsthaft befasst.

        1. Werter HPB, vielleicht ist ja die von Ihnen beschriebene Geschichtsforschung (anhand individueller Erfahrungen, wie die Ihrer Frau) die exaktere und ergiebigere?

          Die materialistischen Geschichts-*Wissenschaften* haben mit einer Vielzahl von Problemen zu tun: beispielsweise Datierung, gefälschte Dokumente (weit über 90% der mitteralterlichen Urkunden sind Fälschungen), tendenzielle (Falsch-)Aussagen von *Historikern* etc.

          Durch „Blick ins Buch“ gibt es bei amazon einen Eindruck von dem Bericht von Mengiarda Darms, „Das Sternenkind: Der lange Weg ins Licht“ über die Inkarnationswege zweier Seelen:

          https://www.amazon.de/Das-Sternenkind-lange-Weg-Licht/dp/3833486015/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=mengiarda+darms+das+sternenkind&qid=1562929726&s=books&sr=1-1

          Die fiktionalen Bücher von Joan Grant über Ägypten basieren auf ähnlichen Erfahrungen, wie die Ihrer Fau. Dabei ergibt sich ein ziemlich anderes Ägypten-Bild als das offiziöse:

          https://www.amazon.de/Augen-Horus-Joan-Grant/dp/3762605149/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=Joan+Grant&qid=1562930172&s=books&sr=1-2

          Der Titel des Buches von Barbara Hand Clow beschreibt schon, worum es darin geht „Das Auge des Zentauren: Eine visionäre Reise in frühere Leben“:

          https://www.amazon.de/Das-Auge-Zentauren-vision%C3%A4re-fr%C3%BChere/dp/3861500817/ref=sr_1_6?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=ITOZCO6SJ83F&keywords=barbara+hand+clow&qid=1562930230&s=books&sprefix=barbara+ha%2Cstripbooks%2C146&sr=1-6

          Die Netzverweise habe ich nur eingestellt, um einen Eindruck davon gewinnen zu können, dass es gegenwärtig viele Menschen gibt, die Geschichte subjektiv erforschen.
          Und es gab sie immer schon, diese Menschen. Nicht nur die Schamanen oder die weisen Frauen unserer Ahnen konnten das.
          Doch offensichtlich ist das sehr unerwünscht. Der Mensch soll schön glauben, was ihm *Wissenschaft* und andere Institutionen, wie die Amtskirchen, vorsetzen. Ansonsten, wozu braucht es noch die Priesterschaft (und die *Wissenschaftler*), wenn da jeder Hergelaufene auf eigene Faust forscht?

          Auch auf diesem Gebiet sind die Dinge im Umbruch.

  22. Ich widme mich hier dem 09. bzw. 22. Januar 1905, der als Blutsonntag von Petersburg in die Geschichte einging und eng mit dem Russisch-Japanischen Krieg verknüpft ist.

    Doch zunächst kurz zur Vorgeschichte:
    Nach der Niederlage im Krimkrieg gegen das Osmanische Reich und dessen Verbündete Großbritannien, Frankreich und Sardinien-Piemont von 1856 war Russland um Kompensation bemüht und ging im Kaukasus und in Mittelasien in die Offensive. Ebenso im Fernen Osten, wo es die Gebiete der äußeren Mandschurei nördlich des Amur und östlich des Ussuri in Besitz nahm und sich diese „Erwerbungen“ durch den Vertrag von Aigun (1858) und die Pekinger Konvention (1860) von der Qing-Dynastie bestätigen ließ.
    Zu jener Zeit befand sich der Mandschu-Kaiser infolge des Taiping-Aufstandes in Mittel- und Süd-China in einer äußerst schwierigen Lage. Der 1851 begonnene Aufstand hatte große Reichsgebiete erfasst und sogar die Hauptstadt Peking bedroht. Erst 1864 gelang der Dynastie mit britischer und französischer Unterstützung die endgültige Niederwerfung der Taiping. Man spricht heute von 20 bis 30 Millionen Todesopfern in diesem Bürgerkrieg.

    Am 30.März 1867 verkaufte Russland sein Alaska für 7,2 Millionen US-Dollar an die USA, um Defizite des angespannten Staats-Haushaltes auszugleichen und die Staatlichkeit der USA nach dem dortigen Bürgerkrieg („Sezessionskrieg“ von 1861 bis 1865) zu stärken.

    1868 erfolgte in Japan die Meiji-Restauration. Das Shogunat wurde beendet (die Herrschaft des Shoguns) und eine Regierung des Tennos etabliert. Die neue kaiserliche Regierung setzte Reformen durch, die schließlich in die Verfassung von 1890 eingingen, welche weitgehend der Verfassung des 1871 gegründeten Deutschen Reiches entsprach.
    Bereits 1876 schlossen Japan und Korea einen Freundschaftsvertrag ab, in dem Japan die koreanische Unabhängigkeit bestätigte. Ein Akt, der sich gegen den traditionellen mandschurisch-chinesischen Einfluss in Korea richtete. Japan nutzte die neu gewonnenen internationalen Freiräume, um die moderne Ökonomie und Administration westeuropäischer Staaten kennen zu lernen und zu adaptieren. Ein Anliegen, das auch Großbritannien tatkräftig unterstützte, weil es in Japan eine Regionalmacht erkannte, die in der Eindämmung der russischen Expansion und der Beherrschung Chinas Nützlichkeit versprach.

    1894/95 erprobte Japan im Japanisch-Chinesischen Krieg seine militärische Stärke. Mit der Zerstörung der chinesischen Marine und der Eroberung Koreas und Taiwans erzielte es große militärische Erfolge. Zwar blieb Korea formal unabhängig, jedoch unter starkem japanischen Einfluss.

    Nur kurze Zeit später, 1897, besetzte Russland den Hafen von Port Arthur und pachtete von China dessen Umland, was Japan (das den Hafen 1894 eingenommen hatte) mit äußerstem Unbehagen quittierte. 1900 schickte Russland 100.000 Soldaten nach China, um den „Boxer-Aufstand“ niederzuschlagen, und beließ diese Truppen gegen den Protest Japans und Chinas dort, auch nachdem der Aufstand beendet war.

    1891 begann der Bau der Transsibirischen Eisenbahn. Als erster Abschnitt wurde bis 1897 die Strecke von Wladiwostok bis Chabarowsk fertig gestellt. Von 1893 bis 1898 erfolgte im Westen der Bau der Strecke von Tscheljabinsk bis Irkutsk. Von 1895 bis 1900 baute man den ostsibirischen Abschnitt mit Baikalsee, der hohe ingenieur-technische Anforderungen durch Tunnel- und Brückenbauten stellte. Da die Süd-Umfahrung des Baikals als besonders schwierig galt, begnügte man sich zunächst mit zwei Eisenbahn-Fähren über den See, die sich später (während des Russisch-Japanischen Krieges) als „Nadelöhr“ bei der Versorgung und Verstärkung der in der Mandschurei kämpfenden russischen Armee heraus stellte.
    Bis 1903 ging noch die Chinesische Ost-Eisenbahn (Trans-mandschurische Eisenbahn) von Tschita nach Wladiwostok in Betrieb.

    Die wachsende Präsenz Russlands in Nordost-China nahm Japan als Bedrohung seiner Interessen in Korea und der Mandschurei wahr, der es mit Krieg begegnen wollte. Am 09. Februar 1904 eröffnete die japanische Marine mit einem überraschenden Angriff auf den in Port Arthur stationierten russischen Flottenverband die Kriegshandlungen, wobei die Russen bewusst auf alle Maßnahmen zur Verteidigung verzichtet hatten, um nicht als Angreifer da zu stehen (z. B. waren die Schiffe voll beleuchtet und boten sich als Ziele für Beschuss geradezu an). Am 10. August 1904 erlitt das russische Geschwader beim Ausbruchsversuch aus dem Hafen von Port Arthur und den anschließenden See-Gefechten schwere Verluste. Zu diesem Zeitpunkt hatten japanische Truppen schon weite Gebiete der Mandschurei erobert und mit der Belagerung Port Arthurs begonnen. Im Oktober 1904 scheiterte ein russischer Entsatz-Versuch der Festung auf dem Landweg, obwohl im Eiltempo an der Fertigstellung der Süd-Umfahrung des Baikal-Sees gearbeitet worden war. Am 02. Januar 1905 kapitulierte schließlich die russische Besatzung von Port Arthur nach 154-tägiger Belagerung.

    Das war die militärische Lage, die nach Bekanntwerden des Fiaskos die Seele des russischen Volkes auf das Tiefste aufwühlte und an die schmerzliche Kapitulation von Sewastopol im Krimkrieg erinnerte. Schon in den ersten Januartagen danach begann in den Petersburger Putilow-Werken, den Werften, Manufakturen und Webereien ein allgemeiner Streik, wobei die Streik-Anführer der Arbeiter u. a. nach besseren Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichen Reformen und Abschaffung der Zensur verlangten.
    Am 09./22. Januar 1905 versammelten sich unter Führung des Pope Georgi Gapon Zehntausende Arbeiter in den Petersburger Vororten zu einem Stern-Marsch zur Zaren-Residenz als „Bitt-Prozession“. Mit Heiligen- und Zaren-Bildnissen zogen sie ins Zentrum der Stadt, um dem Herrscher ihre Nöte und Wünsche zu überbringen. Doch schon am Narwa-Tor versperrte Militär den Weg und verlangte die Auflösung des Demonstrationszuges. Als die Demonstranten dem nicht nachkamen, schoss das Militär in die Menge. Im späteren Tagesverlauf, nachdem weitere Demonstrationszüge aus anderen Teilen der Stadt den Raum um das Winterpalais erreichten, wiederholte sich das Geschehen.
    Bis heute gilt die Zahl der Todesopfer des Petersburger Blutsonntags als umstritten. Sie gehen je nach Intention des Autors von 130 bis 2.000. Aber unabhängig davon waren die politischen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stabilität Russlands immens.

    Ob an jenem Tag auch britische Agenten ihre Hände im Spiel hatten, lässt sich nicht belegen. Von Georgi Gapon wird berichtet, er habe sich danach selbst als Agent provocateur der Geheimpolizei Ochrana geoutet und sei deshalb 1906 von einem Kommando der Partei der Sozialrevolutionäre gerichtet worden. Dies lässt darauf schließen, dass die Partei der Sozialrevolutionäre die aufkommende Volksbewegung zu dominieren und auf ihre Ziele zu lenken beabsichtigte. Wohl gab es unter den Sozialrevolutionären auch Teilnehmer und Opfer an den Demonstrationen des Blutsonntags. Aber sie als Organisatoren und politische Anführer zu sehen, geht wohl fehl.
    Nicht viel anders bei den Sozialdemokraten Russlands, einer kleinen Gruppe von Intellektuellen, die sich noch dazu in die Mehrheitler um Lenin (Bolschewiki) und die Minderheitler um Martow (Menschwiki) gespalten hatte. Sie hielten sich vorsichtshalber von dem, was der Pope Gapon da inszenierte, völlig fern und vertrauten darauf, dass die verblendeten werktätigen Massen ihre eigene Erfahrung mit dem zaristischen Staat machen würden. Lenin hielt es damals neben der Unterstützung von Streiks für richtiger, eine Zeitung („Iskra“ – der Funke) in Leipzig produzieren zu lassen und nach Russland zu schmuggeln, damit diese Zeitung mit ihrem Bildungs- und Propaganda-Inhalt als kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator der Sozialdemokratie in Russland wirke. (Übrigens meinte ich zur Compact-Konferenz über die Familie 2013 zu Chefredakteur Jürgen Elsässer, dass sein „Compact“ in der „modernen Zeit“ eine ähnliche Rolle spielen könne, wie sie Lenin einst für die „Iskra“ erhoffte.)

    Doch was bewog eigentlich die proletarischen und bäuerlichen Massen zu solchem Aufruhr? Es war die Sorge um „Mütterchen Russland“. Sie waren zarentreu und religiös, vorwiegend der russischen Orthodoxie verbunden – eine Bindung, die Vielen heute wieder als Ideal gilt.
    Die Kapitulation von Port Arthur wurde als göttliche Strafe verstanden. Gott war nicht mehr mit Russland, sondern hatte das kaiserliche Japan als Instrument gewählt, um das gottlose Russlands zu züchtigen. Aber wer waren die Gottlosen? Doch nicht das fromme Volk, das fest an Gott glaubte, und auch nicht Väterchen Zar! Folglich mussten es die Ratgeber des Zaren und Teile seiner Regierung sein, die Väterchen Zar und das ganze russische Reich auf gottlose Abwege geführt hatten. Gegen diese Kräfte, auf deren Entmachtung, richtete sich die demonstrative Massenpetition!
    Obwohl des Lesens, Schreibens und Rechnens meist unkundig, sah das einfache Volk, dass die Reichen immer reicher wurden und sich von der Arbeit der Armen mästen ließen. Konkretes Wissen über soziale Unterschiede, Interessenlagen oder gar daraus resultierende gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten? Das war so gut wie nicht vorhanden; und das sollte aus Sicht der Herrschenden auch möglichst so bleiben.
    Dass Popen wie Georgi Gapon sich der Nöte des einfachen Volkes annahmen, war eher die Ausnahme. Weitaus häufiger predigten sie die Heiligkeit der bestehenden Ordnung, in die man sich ohne Murren einfügen müsse. Gott würde Väterchen Zar schon den richtigen Weg aus den Ungerechtigkeiten und zur Besserung der Welt weisen; man müsse ihm nur bedingungslos vertrauen. (Das bot für Lobbyisten, Vettern- und Günstlingswirtschaft bei Hofe und in der Regierung ideale Voraussetzungen, um spezielle Interessen ungeschmälert durch soziale Grenzen im Staate durchsetzen zu können.)

    Aus dem damaligen Mangel an Bildung und Kompetenz bei Volk, Staatsapparat und Hof in Russland lassen sich viele Schlüsse ziehen. Auch bezüglich der Potenzen, die ein rechtzeitig in Angriff genommenes, umfassendes Reformprogramm hätte leisten können, um die sozialen und politischen Klüfte der Gesellschaft zu schließen. Darauf verzichte ich hier.

    Worauf ich aber noch hinweisen will, ist der Hang, alle aktuellen Fehlentwicklungen heute auf irgendwelches hinterhältiges Wirken der Zionisten oder der Juden zu schieben.Das ist zu einfach gedacht, fast so simpel, wie von den russischen Analphabeten bis 1905. Wir müssen schon die Interessen-Vielfalt und vor allem die gesellschaftlichen Funktions-Mechanismen genau im Auge behalten, die von unserer eigenen Elite etabliert werden und dadurch erst solche Einflussmöglichkeiten für bspw. Zionisten schaffen.

  23. Danke werter HPB, für so einen aufschlussreichen Beitrag. Sehr interessant. Dazu gibt es kaum was beizufügen. Interessant ist es für mich noch deswegen, weil mein Großvater, Johannes Ullmann, geb. im 1884, ein Wolgadeutscher in diesem Krieg als Soldat involviert war. Ich erinnere mich sehr gut an das Foto mit fünf Soldaten und an Erzählungen von meiner Mutter.
    Was die Geschichte über den „Blutsonntag“ 1905 betrifft, so gab es noch etwas Ähnliches, was den Geduldstopf vom Volk zum Überlaufen brachte. Es war die Kodynka-Katastrophe in Moskau am 18 Mai 1896. Es dürfte ein schönes Volksfest sein. Nur kam es zu einem fürchterlichen Gedränge, zu einer Massenpanik, infolge dessen nahezu 1500 Personen zu Tode getrampelt worden sind.
    Am gleichen Abend gab es einen riesen Ball, auf dem Nikolaus II und Alexandra getanzt haben. (Das Volk hat sich alles gemerkt)…

  24. Deutscher Herbst 1923

    Ich will das dialektische Gesetz der Negation der Negation (https://vineyardsaker.de/2019/07/11/dies-und-das-3-x/#comment-68986) noch ein wenig greifbarer machen. Dafür eignet sich der deutsche Herbst 1923 besonders gut, denn zwei sehr gegensätzliche Politiker, nämlich Adolf Hitler und Ernst Thälmann, kamen zu der gleichen Schlussfolgerung, dass die Macht im Deutschen Reich eigentlich auf der Straße liege und man nur mit einer energischen Aktion danach greifen müsse.
    Die Novemberrevolution vom 9. November 1918 führte zur Gründung von Arbeiter- und Soldatenräten als neuer Machtorgane und zum Waffenstillstand mit der Entente von Compiegne am 11.11.1918. Wenn auch große Teile des deutschen Volkes damals republikanisch-demokratische Ideen (und Illusionen) sowie Waffen in den Händen hatten, so bestimmten doch die nationale Frage und die sozialen Verhältnisse zunehmend die folgenden Machtkämpfe, wobei es um die Konsolidierung der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung und damit einhergehend um die Entwaffnung des Volkes oder die Errichtung einer Räte-Ordnung ging.

    Folgende Gebietsabtretungen und Besetzungen nach dem Waffenstillstand und im Zuge der Umsetzung des am 28. Juni 1919 Deutschland ultimativ aufgenötigten Friedens-Vertrages von Versailles fachten die Auseinandersetzungen zur nationalen Frage im Deutschen Reich an:
    – Mit dem Waffen-Stillstnd vom 11.11.1918 wurde dem Deutschen Reich diktiert, seine Truppen binnen 15 Tagen aus allen besetzten Gebieten einschließlich Elsass und Lothringen zurückzuziehen. Zudem wurde festgelegt, dass alle deutschen Beamten und die seit 1871 Zugezogenen Elsass und Lothringen zu verlassen hatten.
    – Am 22. November 1918 marschierten französische Truppen in das Saarland ein und setzten die faktische Abtrennung vom Reich durch. Die gerade neu entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte wurden verboten. Später wurde die Regierung des Saarlandes dem Völkerbund unterstellt.
    – Im Januar 1919 besetzten polnische Militär-Verbände das Gros der Provinz Posen, wobei sie sich auf Zusagen für einen „polnischen Korridor“ mit Zugang zur Ostsee beriefen.
    – Am 11.07.1920 wurde nach der formellen Anerkennung der Abtretung des „polnischen Korridors“ an Polen durch das Deutsche Reich die Wojewodschaft Pommerellen gebildet.
    – Die beabsichtigte Loslösung Danzigs vom Deutschen Reich stieß ab 1919 auf breiten Widerstand der dortigen Bevölkerung, die das mit großen Demonstrationen für den Verbleib bei Deutschland ablehnte. Am 20. August 1920 lenkte die Verfassungsgebende Versammlung Danzigs in einen Kompromiss ein und erklärte sich für die Neutralität als Freistadt zwischen Polen und Deutschland. Ursache des Sinneswandels war das Vorrücken der Roten Armee auf Warschau, wo am 10. August bereits das sowjetische III. Kavallerie-Korps die Weichsel westwärts überschritten hatte und die Eroberung Polens erwartet wurde. (Anmerkung: Am 24.April 1920 begann mit dem polnischen Hauptangriff auf die Ukraine in Richtung Kiew der „eigentliche“ polnisch-sowjetische Krieg.)
    – Nach dem Volksentscheid in Oberschlesien vom 20. März 1921, bei dem sich 60 Prozent der Wähler für den Verbleib im Deutschen Reich entschieden hatten, legte die am 20. Oktober 1921 in Paris tagende Botschafter-Konferenz gegen deutschen Protest die Teilung Oberschlesiens fest, wobei Polen das Bergbau-Zentrum um Kattowitz zugesprochen bekam. Die Entscheidung führte zum Rücktritt der Regierung Wirth!
    – Am 08. März 1921 erfolgte die Besetzung von Düsseldorf und Duisburg durch französische und belgische Truppen, um rückständige Reparationen des Deutschen Reiches und die Entwaffnung der dem Friedensvertrag zuwider bestehenden Freikorps zu erzwingen. (Anmerkung: Die Militär-Aktion verstärkte abrupt die politischen und militärischen Gegensätze im Deutschen Reich und hatte den Kapp-Putsch zur Folge.)

    Holzschnitt-artig greife ich einige Ereignisse des Machtkampfes nach der Novemberrevolution von 1918 auf:

    Vom 23. bis 25. Dezember kam es zu einer „Meuterei“ der Volksmarine-Division in Berlin. Der am 11. November gegründete Marine-Verband hatte bis Ende November eine Mann-Stärke von etwa 3.200 erreicht. Er war für den Schutz der Reichskanzlei, des Reichstags und der Museums-Insel zuständig und führte zur Aufrecht-Erhaltung der Ordnung auch Streifendienst auf den Berliner Bahnhöfen durch. Anfänglich stark von SPD-Vorstellungen beeinflusst, verstärkten sich im Dezember linke Zielsetzungen, weshalb Generalität und SPD-Führung die Auflösung der Volksmarine-Division anstrebten. Zur Legitimation des Vorgehens wurde behauptet, aus dem unter dem Schutz der Matrosen stehenden Berliner Stadtschloss seien Kunstgegenstände entwendet worden (was beim Normalbürger für entsprechende Empörung sorgte). In Anbetracht des medialen Druckes wurde einvernehmlich die Auflösung der Division beschlossen. Teile davon sollten in andere Sicherheits-Organe übernommen werden und die Restlichen mit der Demobilisierung eine Abfindung erhalten.
    Als vor Weihnachten der Stadtkommandant jedoch die erwartete Sold-Zahlung verweigerte, begann – unterstützt von großen Demonstrationen – die Meuterei. Truppenteile des Heeres, die gegen die Meuterer und Demonstranten eingesetzt werden sollten, schwankten bei der Befehls-Erfüllung und lösten sich auf (Analogon zum Kornilow-Putsch 1917 in Russland). Die Meuterei wurde durch Verhandlungen schließlich beigelegt.

    Nach den Weihnachtskämpfen 1918 suchte die SPD-geführte Regierung nach weiteren Gelegenheiten, das Volk zu entwaffnen. Sie ließ Heeres-Verbände von der Westfront nahe Berlin bereitstellen und veranlasste die preußische Regierung, am 04. Januar 1919 den linken Berliner Polizei-Präsidenten Eichhorn zu entlassen, um die Polizei wieder der bürgerlichen Regierungs-Kontrolle zu unterstellen. Der Protest dagegen mit großen Kundgebungen führte zum sogenannten „Spartakus-Aufstand“ in Berlin vom 5. bis 12. Januar, der durch Militär-Einsatz blutig nieder geschlagen wurde. Im Zuge der „Abrechnung mit den Spartakisten“ wurden die Führer der gerade neu gegründeten KPD, Rosa Luxemburg und Karl-Liebknecht, am 15. Januar 1919 festgenommen und umgebracht (Garde-Kavallerie-Schützen-Division, Hauptmann Waldemar Pabst).

    Am 19. Januar 1919 fand die Wahl zur Verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung statt, bei der die SPD 37.9 % und die USPD 7.6 % der Stimmen erhielten. Die Konstituierung der National-Versammlung erfolgte am 09. Februar 1919. Am 11. Februar wurde Friedrich Ebert (SPD) zum vorläufigen Reichs-Präsidenten gewählt. Philipp Scheidemann (SPD) erhielt den Auftrag, als Reichs-Kanzler eine Koalitions-Regierung aus SPD und bürgerlichen Parteien zu bilden.

    Am 10. Januar 1919 wurde in Bremen die Räte-Republik ausgerufen und die Bürgerschaft für aufgelöst erklärt. Bis zum 04. Februar konnte die Bremer Räte-Republik militärisch niedergeworfen werden.

    Die radikalen Revolutionäre Berlins waren nach der Ermordung Karl-Liebknechts und dem spurlosen Verschwinden Rosa Luxemburgs mit der Weimarer Republik nicht zu versöhnen.Noch waren viele von ihnen bewaffnet. Am 03. März 1919 wurde aus Protest gegen die Tätigkeit der National-Versammlung ein General-Streik beschlossen, dem noch am gleichen Tage die Verhängung des Ausnahme-Zustandes über Berlin durch das Preußische Staats-Ministerium folgte. Ab 04. März rückten Freikorps-Verbände (Brigade Reinhard, Lützow, Garde-Kavallerie-Schützen-Division) ein und besetzten das Stadtzentrum. Schon am 05. März kam es am Alexander-Platz zu schweren Kämpfen mit Teilen der Republikanischen Soldaten-Wehr und der Volksmarine-Division. Am 6. März setzten das Generalkommando Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge und Flugzeuge im Stadtgebiet ein und konnte das Zentrum unter Kontrolle bringen.
    Am 08. März 1919 gelang es den Aufständischen in Lichtenberg, das Postamt und das Polizeipräsidium einzunehmen. Obwohl die Polizeibeamten fliehen konnten oder auf freien Fuß gesetzt wurden, behauptete der Polizeipräsident am 09. März, dass seine Beamten massenhaft ermordet worden seien. Am 10. März berichteten deutsche Zeitungen des ganzen Reiches von 60 getöteten Polizisten. Noch am 09.03. erteilte Gustav Noske den Befehl zur standrechtlichen Erschießung aller Personen, die mit der Waffe in der Hand angetroffen wurden oder Waffen versteckt hatten. Erst ab 13. März 1919, nachdem das Militär gesiegt hatte, gaben die Zeitungen bekannt, dass alle vorangegangenen Gräuel-Meldungen falsch gewesen waren (Anmerkung: „Gut gelernt“ bei den Briten, wie man den Gegner dämonisiert). Kämpfe und Standrecht forderten 1.200 Todesopfer, darunter auch etliche Kriegs-Veteranen, die ihre Waffe als Souvenir mit nach Hause genommen hatten. Das Standrecht galt bis zum 16. März 1919 und führte zur Volks-Entwaffnung.

    Am 07. April 1919 wurde in München die bayrische Räte-Republik proklamiert. Ihre militärische Niederschlagung erfolgte bis zum 02. Mai 1919. Offiziell wurden dabei 606 Todesopfer registriert, darunter 233 Kämpfer der Roten Armee, 335 Zivilisten (standrechtlich erschossen?) und 38 Angehörige von Militär und Freikorps. Bei Gräfelfing erschossen Freikorps-Angehörige auch 52 russische Kriegs-Gefangene!

    Nach der vermeintlichen Konsolidierung der Macht in den Zentren des Reiches ging die SPD-geführte Regierung unter dem Druck der Sieger-Mächte an die Beschneidung der Freikorps. Der Rückruf der „Baltikumer“ funktionierte erst, nachdem die Finanzierung aus dem Reich gekappt worden war. Die zwangsläufig aus dem Baltikum ins Deutsche Reich heim-kehrenden Freikorps waren anti-republikanisch eingestellt und somit eine latente Gefahr für die Regierenden. Zum Auslöser des Kapp-Putsches am 13. März 1920 wurde die Noske-Order zur Auflösung der Marine-Brigade Erhardt, die als Elite-Verband galt.
    Auf die Proklamation der Macht-Übernahme durch Kapp und Lüttwitz floh die Reichs-Regierung nach Stuttgart und rief am gleichen Tag zum General-Streik gegen die Putschisten auf. Der Streik-Aufruf wurde weitgehend befolgt; selbst in Wasser- und Elektrizitäts-Werken, bei der Reichsbahn und der Reichspost, so dass elementare Regierungs-Funktionen komplett ausfielen. Angesichts dessen flüchtete Kapp am 17.03.1920 nach Schweden, und Lüttwitz übernahm die alleinige Macht als Militär-Diktator.
    Spontan entstanden militärische Formationen zum Kampf gegen die Putschisten.
    Am 26. März 1920 wurde die neue Reichsregierung unter Hermann Müller gebildet, die den Putsch durch Verhandlungen beizulegen hoffte. Nachdem Arbeiter-Wehren in Essen, Hagen und anderen Städten des Ruhr-Gebietes die Putschisten entwaffnet oder vertrieben hatten, entstand binnen weniger Tage die „Rote Ruhr-Armee“, der etwa 100.000 Kämpfer angehörten. Die Müller-Regierung forderte ultimativ die Waffen-Niederlegung der Ruhr-Bevölkerung bis zum 30. März 1920. Als die Aufständischen das aufgrund der offenen Machtfrage verweigerten, setzte die neue Regierung Heeres- und Polizei-Verbände, darunter auch die der Putschisten, vom Münsterland her gegen die anti-putschistischen Kämpfer ein. Der Vormarsch stoppte erst aufgrund der britischen Drohung, das Bergische Land wegen Verletzung des Versailler Friedens-Vertrages zu besetzen. Die Gesamtzahl der Opfer durch Kämpfe, standgerichtliche oder willkürliche Tötungen ist unbekant. Reichspräsident Ebert widerrief die Standgerichte zwar schon am 03. April, doch erst am 12. April 1920 befahl der kommandierende General den Soldaten, wieder die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Die Opferzahl dürfte wesentlich höher als bei den März-Kämpfen 1919 in Berlin gewesen sein.

    Mit der Ankündigung des bevorstehenden Einmarsches von Verbänden der neu formierten Sicherheits-Polizei wurden am 17. März 1921 die März-Kämpfe in Mitteldeutschland (Halle-Merseburg, Bergbau-Region Mansfeld – Eisleben) ausgelöst, indem die Arbeiter aus Protest die Leuna-Werke besetzten. Am 23. März begannen militärische Auseinandersetzungen, worauf am 24. März vom zuständigen Regierungs-Präsidenten der Ausnahme-Zustand verhängt wurde. Die Kampfhandlungen endeten am 29. März 1921 mit der Besetzung der Leuna-Werke durch die Polizei.
    Insgesamt forderten die Kämpfe um Halle / Saale und Eisleben 180 Todesopfer und führten auch hier zur Volks-Entwaffnung.

    Doch nun zum Jahr 1923.
    In Berlin amtierte vom 22. November 1922 bis zum 12. August 1923 das „Wirtschafts-Kabinett“ unter Reichskanzler Cuno ohne SPD-Beteiligung. Trotz Erholung der Wirtschaft 1922 und vermeintlicher politischer Stabilisierung des Reiches sah sich die Reichs-Regierung außerstande, die geforderten Sach- und Geldleistungen für Reparationen in voller Höhe an die Sieger-Mächte zu leisten. Rückblickend bildete die Wirtschaftskrise bei den Siegermächten, die mit einem weltweiten Konjunktur- und Nachfrage-Einbruch für deutsche Exportgüter einher ging, eine der Ursachen.
    In Verkennung dessen besetzten am 11. Januar 1923 französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, um die rückständigen Reparationen dort zu entnehmen. Die Reichs-Regierung rief darauf hin die Bevölkerung der Ruhr-Gebietes zum „Ruhr-Kampf“ als Form des passiven Widerstandes mit Streik auf. Um den Streikenden (ca. zwei Millionen Arbeiter) das Überleben zu ermöglichen, zahlte die Cuno-Regierung ihnen finanzielle Beihilfen, die von Monat zu Monat die umlaufende Geldmenge inflationär aufblähten und die aufkeimende Hyper-Inflation befeuerten, so dass im Herbst 1923 sogar mit Milliarden- und Billionen-Beträgen gezahlt werden musste.
    Die Hyper-Inflation führte u. a. zur Verarmung von Sparern, Gläubigern, Lohn- und Gehalts-Beziehern und zur billigen Entschuldung des Reiches von den aufgenommenen Kriegs-Krediten. Die Tendenz der Verelendung ließ bei vielen Deutschen die Erkenntnis reifen, dass die Schuld an der Misere nicht nur bei Frankreich und Belgien sondern auch auch beim „Wirtschafts-Kabinett“ Cuno liege.
    Auf Cuno folgte Gustav Stresemann als Reichskanzler. In Anbetracht steigender Arbeitslosigkeit, fortschreitender Verarmung breiter Volks-Schichten und des wachsenden Wähler-Zulaufs zur KPD brach dieser am 26. September den „Ruhr-Kampf“ ab und setzte auf Währungs-Stabilisierung.
    Am 15. November 1923 wurde die neue „Renten-Mark“ eingeführt – eine Währung, die durch zwangsweise auferlegte Hypotheken und Grundschulden auf Immobilien von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe abgesichert wurde und mit der Reduzierung der noch umlaufenden Papier-Geldmenge in Reichsmark einher ging.

    Doch bevor die wirtschaftliche Konsolidierung einsetzte, standen die politischen Zeichen auf Sturm. Sowohl bei der KPD als auch bei der NSDAP sah man den politischen Verfall des Reiches, das Niedergehen des Vertrauens in die republikanischen Institutionen und die aufkommende Verzweiflung der Menschen. Die Macht schien auf der Straße zu liegen! Beide Seiten beschlossen, ihren politischen Einfluss zielstrebig auszubauen und auf Gelegenheiten zur Machtergreifung hinzuarbeiten.

    Seit Februar 1923 regierte in Sachsen die SPD mit Erich Zeigner an der Spitze. Unbeachtet von der Landesregierung, entwickelten sich in Sachsen „Proletarische Hundertschaften“ als KPD-gelenkte paramilitärische Kampf-Organe gegen die Verelendung der werktätigen Massen. Am 10. Oktober 1923 trat die KPD in die sächsische Regierung ein, ohne jedoch Macht-Ministerien besetzen zu können. Am 13. Oktober erließ Generalleutnant A. Müller für Sachsen ein Verbot der „Proletarischen Hundertschaften“. Am 16.10.1923 wurde die sächsische Polizei der Reichswehr unterstellt und somit die Landesregierung entmachtet. Am 29. Oktober erfolgte die förmliche Reichs-Exekution gegen Sachsen, indem ein Reichs-Kommissar eingesetzt wurde, der die Kabinetts-Mitglieder ihrer Ämter enthob. Die Exekution endete am 30. Oktober 1923 mit dem Rücktritt Erich Zeigners zugunsten einer reinen SPD-Regierung.

    Während die Mehrheit der KPD-Führung im Reich trotz zunehmender Verelendung der Bevölkerung aufgrund der bestehenden Macht-Verhältnisse einen bewaffneten politischen Umsturz im Herbst 1923 ablehnte, glaubte die Sektion „Wasserkante“ (Hamburg), dass ein Aufstand in Verbindung mit sächsischen und thüringischen Widerstand gegen die Reichs-Exekutionen zum zündenden Funken für eine proletarische Revolution im ganzen Deutschen Reich werden könnte.
    In der Nacht zum 23. Oktober ergingen die Einsatz-Befehle an die kommunistischen Kampf-Gruppen, die 5:00 mit dem Sturm auf die Polizei-Reviere begannen, um sich Waffen zu beschaffen. Nur in Barmbek, Altona und im Kreis Stormann verliefen die Aktionen erfolgreich. Niederlagen in anderen Teilen Hamburgs, mangelnde Unterstützung der Bevölkerung und ausbleibende Aufstände im übrigen Reich machten den Anführern um Ernst Thälmann die Aussichtslosigkeit weiteren Kampfes klar. In der Nacht des 24. Oktober 1923 verließen die Kämpfer ihre Stellungen. Ernst Thälmann und andere Kommandeure flohen in Reichsgebiete außerhalb Hamburgs oder gingen in die Illegalität.
    Der Aufstand forderte etwa 100 Todes-Opfer; darunter 17 Polizisten, 24 Aufständische und 61 Unbeteiligte.

    Parallel dazu entstanden im Rheinland separatistische Bestrebungen. Am 15. August 1923 wurde in Koblenz die „Vereinigte Rheinische Bewegung“ gegründet, eine Organisation, die auf die Abspaltung des Rheinlandes von Preußen bzw. Deutschland und die Errichtung einer „Rheinischen Republik“ unter französischem Protektorat zielte. Im Oktober 1923 wurden die Separatisten putschistisch aktiv. Am 21.10. besetzten sie unter den Augen belgischer Truppen das Rathaus in Aachen. Am 22.10.1923 übernahmen sie die Macht in Duisburg, ebenfalls unter dem Schutz der Besatzer. Am 22./23.10. erfolgte ein Putsch-Versuch in Eschweiler. Am 23.10. besetzten Separatisten mit Unterstützung französischen Militärs das Schloss von Koblenz. Am gleichen Tag fand in Wiesbaden ein Putsch statt. Am 29.10.1923 wurde die Machtübernahme der „Rheinischen Regierung“ im gesamten Regierungs-Bezirk Wiesbaden proklamiert.
    Das mit Gewalt und Plünderungen einhergehende Vorrücken der Separatisten auf Linz und Honnef Rhein-abwärts stieß schließlich im Vorfeld Bonns auf entschiedenen Widerstand der Reichs-treuen Bürger, wo der „Aufstand im Sieben-Gebirge“ mit Kämpfen vom 14. bis 16. November 1923 die Wende brachte. In der Folgezeit brach die separatistische Bewegung zusammen.

    Aus Protest gegen den Abbruch des „Ruhr-Kampfes“ durch die Reichsregierung („Verrat“) wollte Hitler bereits am 29. September 1923 zur Feldherrn-Halle in München marschieren. Die bayerische Landes-Regierung beschloss jedoch ebenfalls, auf die Ablösung der „verräterischen Reichs-Regierung“ und gegen die französische Willkür zu arbeiten und ernannte dazu Ritter von Kahr zum General-Staats-Kommissar mit diktatorischen Vollmachten. Sowohl zu von Kahr als auch zum bayerischen Landes-Kommandeur der Reichswehr, Otto von Lossow, unterhielt Hitler gute persönliche Kontakte, die für ein gemeinsames Vorgehen sprachen.
    Am 18. Oktober 1923 löste ein reißerischer Artikel im „Völkischen Beobachter“ mit Anklagen gegen Reichs-Präsident Ebert und den Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, eine Krise aus. Umgehend verlangte der Reichswehr-Minister das Verbot der NSDAP und des „Völkischen Beobachters“ und beauftragte von Lossow mit dessen Vollzug. Da von Lossow den Befehl verweigerte, wurde er seines Kommandos enthoben. Von Lossow setzte sich auch darüber hinweg, indem er die bayerischen Reichswehr-Einheiten seinem alleinigen Befehl unterstellte und sie auf Bayern und die Landes-Regierung vereidigte, was einem Putsch gleichkam.
    Hitler und Ludendorff, die vielleicht Zielsetzung und Ausmaß des verdeckten Putsches durch Otto von Lossow und von Kahr nicht voll überblickten, drängten auf eine offene Macht-Ergreifung in München, um danach auch in Berlin die Macht-Frage zu stellen.
    Für den 08. November 1923 um 20:30 hatte Erich Ludendorff das Losschlagen der Putschisten des „Kampfbundes“ und den Offiziere der Infanterie-Schule vorgegeben. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Vertreter verschiedener Gruppen im „Bürgerbräu-Keller“ versammelt, um einer zündenden Rede von Kahrs zu lauschen. Mit einer ausgeklügelten Überrumpelungs-Aktion unter Einsatz der SA versuchte Hitler, die Versammlung zu usurpieren und ein Führungs-Gremium zu bilden, das ihm die politische Hegemonie sichern sollte. Jedoch widerrief von Kahr nach der Flucht der Landesregierung nach Regensburg und angesichts deren bereits eingeleiteter Abwehr-Maßnahmen alle Zusagen an Hitler und erklärte die NSDAP für aufgelöst.
    Am 09. November 12:00 begann unter dem Befehl Erich Ludendorffs der Marsch zur Feldherrn-Halle in München, Hitler direkt neben Ludendorff. Die öffentlich angekündigte Aktion folgte dem Beispiel Benito Mussolinis mit dessen Marsch auf Rom vom Oktober 1922.
    Dem Marsch stellte sich die bayerische Landes-Polizei entgegen. 12:45 fielen die ersten Schüsse. Binnen weniger Minuten starben vier Landes-Polizisten, 15 Marsch-Teilnehmer und ein Zuschauer. Der Marsch endete in Flucht, Festnahmen und Gerichtsverfahren; für Hitler in Festungs-Haft.

    Das wirtschaftliche und politische Chaos im Deutschen Reich im Gefolge der Hyper-Inflation veranlasste die die Sieger-Mächte, am 30. November 1923 eine Sachverständigen-Kommission unter der Leitung von Charles Dawes, einem US-Finanz-Experten, einzuberufen, um die Tragfähigkeit der Reparationen für Deutschland auf der Basis eines zu stabilisierenden Geld-Umlaufes zu beurteilen.
    Die Vereinigten Staaten hatten den anderen Sieger-Mächten während des Krieges umfangreiche Kredite gewährt, deren Tilgung durch fehlende Reparations-Leistungen Deutschlands gefährdet war. Trotz gegensätzlicher Interessen setzten sich die Vertreter der USA und Deutschlands in der Kommission gemeinsam dafür ein, den anderen Mächten ein tragfähiges Reparations-Programm aufzunötigen, das Deutschland für entsprechendes Wirtschafts-Wachstum auch den nötigen Zugang zu den Waren- und Kredit-Märkten der Welt ermöglichte.
    Am 10.08.1924 wurde der „Dawes-Plan“ in London unterzeichnet und trat am 01. September 1924 in Kraft. Da Deutschland fortan seine Reparations-Verpflichtungen pünktlich erfüllte, endete die Besetzung des Ruhr-Gebietes im Juli / August 1925.

    Während Adolf Hitler nach dem Gerichts-Prozess wegen Hochverrats die Zeit bis zum 20. Dezember 1924 in Festungs-Haft in Landsberg verbrachte und an seinem Buch „Mein Kampf“ schrieb, ging Ernst Thälmann nach der Ablösung des KPD-Vorsitzenden Brandlers an die Formierung des „Thälmannschen Zentral-Komitees“ der KPD. Thälmann meinte, dass aufgrund mangelnder Reife und Führungs-Fähigkeit die KPD in einer revolutionären Situation wie im Herbst 1923 versagt hätte.
    Am 26. Juli 1924 beschloss der Reichstag die Aufhebung aller Partei-Verbote, was auch die spätere Reorganisation der NSDAP und der KPD ermöglichte.
    Der 1924 beginnende wirtschaftliche Aufschwung und die damit einhergehende Lockerung politischer Pressionen verdrängten zunehmend umstürzlerische Ambitionen als aussichtslos, so dass sich in beiden Parteien die Einsicht durchsetzte, einerseits den parlamentarisch-demokratischen Weg zu beschreiten und andererseits außerparlamentarische Massen-Aktionen (wie Streiks, Volksbegehren für Fürsten-Enteignung und gegen Panzerkreuzer-Bau) zu unterstützen (oder zu verhindern), um ihren politischen Einfluss zu stärken.

    Obwohl Adolf Hitler ein erklärter Feind des Marxismus war, führten ihn die praktischen Anforderungen des politischen Kampfes zu den gleichen Erkenntnissen, wie sie das philosophische Gesetz der Negation der Negation nahe legt. Im Gegensatz zu den marxistischen Klassenkämpfern, die den bürgerlichen Staat samt seiner Machtstützen in Form von Beamten-Apparat, Justiz, Polizei und Armee ablehnten und stürzen wollten, setzte er auf Zusammenarbeit mit – in der nationalen Sache – gleich gesinnten Vertretern des Staates und der Wirtschaft und glaubte, dass seine Partei dafür die Rolle des politischen Hegemons ausüben könne.
    Während des Ulmer Reichswehr-Prozesses vor dem Leipziger Reichs-Gericht gegen die Offiziere Scheringer, Ludin und Wendt wegen Vorbereitung von Hochverrat durch Konspiration mit der NSDAP vom 23.09. bis 04.10.1930 erfolgte auf Antrag des Leutnants Richard Scheringer die Ladung Adolf Hitlers als Zeuge. Im Rahmen seiner Aussage leistete dieser vor Gericht den „Legalitäts-Eid“, also das öffentliche Versprechen für die NSDAP, nur mit legalen Mitteln der Weimarer Republik nach der Übernahme von Regierungs-Verantwortung zu streben. ..

    1. Ursprünglich wollte ich nur einige wenige Zeilen dazu schreiben, meinte dann aber, dass für die Leser ein paar Splitter des historischen Geschehens doch Verständnis-fördernd sind.

      Während des Schreibens stellte sich dann das „Gefühl“ ein, dass wir bald – nach dem Abgang Merkels – in eine ähnliche Situation wie Deutschland 1923 geraten könnten. Schon 2021 oder 2022?.
      Eine tiefe Wirtschaftskrise, dann Warenmangel und starke Inflation, dazu eine amputierte Staatlichkeit durch weitere Aufgabe / Abgabe von staatlichen Souveränitäts-Rechten an Brüssel und noch dazu Besatzungs-Truppen im Lande, die je nach Laune die „Puppen tanzen lassen“ (können).

      „Was dann?“ – ist die große Frage. Bevor wir in „revolutionären Übereifer“ verfallen, sollten wir gründlich nachdenken und Vernunft bewahren.

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