HPB – Die Niederlande – Befreiungskrieg ohne Befreiung

Autor: HPB

5.3 Die Niederlande – Befreiungskrieg ohne Befreiung

Im Bemühen, die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, die Vormachtstellung der katholischen Kirche zu sichern und die Frevler des Bildersturms zu bestrafen, richtete der Herzog von Alba einen Sondergerichtshof namens „Rat der Unruhen“ ein. Dieser später auch als„Blutrat von Brüssel“ geschmähte Gerichtshof verurteilte ca. 9.000 Angeklagte der Ketzerei und des Hochverrates als schuldig. Etwa 1.000 davon wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, darunter auch die Grafen Egmont und Hoorn. 60.000 Menschen flohen ins Ausland. Obwohl die strikte Verfolgung den Widerstandsgeist brechen sollte, trat eher das Gegenteil ein.
Gemeinsame Pläne Wilhelm von Oraniens mit Admiral Coligny von der französischen Hugenotten-Partei zur Invasion in Artois und Flandern kamen nicht voran. Im April 1568 unternahm Wilhelm von Oranien selbst einen ersten Invasionsversuch im Nordosten bei Roermond, wurde jedoch zurückgeschlagen. Auch ein zweiter Versuch scheiterte, weil es ihm an finanziellen Mitteln fehlte. Seine Güter – wie auch der anderen Verurteilten – waren inzwischen vom Statthalter wegen Hochverrates konfisziert worden. Doch reichten die Konfiskationen nicht aus, um den kostspieligen Repressions-Apparat zu finanzieren.So erließ der Herzog von Alba in der inzwischen eingetreten „Friedhofsruhe“ in den Jahren 1569 bis 1571 drei Sondersteuern. Diese standen nicht im Einklang mit dem niederländischen Steuerrecht und konnten deshalb als eine kriegsbedingte Kontribution verstanden werden. Insbesondere der 1571 verfügte Zehnt auf alle Verkäufe erzürnte die Untertanen, denn damit wurde schlagartig die Kaufkraft des Geldes und obendrein die zirkulierende Geldmenge reduziert. Ein Finanzschock, der die wirtschaftliche Aktivität in den Niederlanden inmitten der Wirtschaftskrise massiv drosselte und wohlhabende Geldleute dazu anspornte, ihr Vermögen ins Ausland zu schaffen oder für den Umsturz zu spenden.

Die Sondersteuer von 1571 wurde zum Super-GAU für den „spanischen Polizeistaat in den Niederlanden“. Alle Versuche Wilhelms, bei protestantischen Fürsten des Reiches, den Hugenotten oder der englischen Königin Elisabeth Geld für Truppenwerbung und Rüstungen aufzutreiben, waren gescheitert, zumal in der Bartholomäus-Nacht zum 24. August 1572 die Anführer und etwa 3.000 Anhänger der Hugenotten in Paris getötet wurden. Nur das Geld und der Widerstandswillen der Niederländer konnte die Wende bringen.

In einer entschlossenen Aktion trat am 01. April 1572 eine Gruppe Adliger – der Wassergeusen – in Aktion und übernahm im Handstreich die Kontrolle der Kleinstadt Den Briel in Südholland. Die Bürger der Stadt verfolgten das Unternehmen mehrheitlich mit Sympathie. Entgegen der ursprünglichen Absicht, die Stadt nach der Einnahme zu plündern und nieder zu brennen, beschlossen die Geusen, die Stadt gemeinsam mit den Bürgern gegen die zu erwartende Strafexpedition der Regierung zu halten. Am gleichen Tag nahm die Geusenflotte die Stadt Vlissingen an der Mündung der Westernschelde ein. Am 23. Mai 1572 eroberten französische Hugenotten Valenciennes; und am 24. Mai fiel Mons im Hennegau an Ludwig von Nassau. Die Regierung des Herzogs von Alba sah sich kombinierten Angriffen von außen ausgesetzt, durch welche die Kontrolle über große Teile der Niederlande verloren zu gehen drohte.
Der Aufstand breitete sich in den nächsten Wochen über die Städte Hollands und Zeelands aus. Meist öffneten die Städte den Wassergeusen freiwillig die Stadttore und Häfen, hofften sie doch wieder auf freien Meereszugang für Fischerei und Handelsschifffahrt. Wilhelm hatte inzwischen in den nassauischen Stammlanden um Dillenburg ein Heer ausgehoben, mit dem er zur Befreiung der Niederlande nordwärts zog. Sein Ziel war das zwischen Den Haag und Rotterdam liegende Delft, wo er im Schutz der Stadtbefestigungen sein Hauptquartier aufschlug.

Der Herzog von Alba ging gegen die aufständischen Städte militärisch vor. Wie wenig er über die differenzierten Interessen der Bürger in den rebellischen Provinzen wusste, zeigte sich bei der Einnahme der Festungsstadt Naarden nahe Amsterdam. Er hatte den Bürgern versprochen, ihr Leben zu schonen, wenn sie die Waffen freiwillig streckten. Nachdem die Bürger der Forderung nachgekommen waren und die Festung übergeben hatten, ließ er sie wortbrüchig massakrieren. In dem Massaker starben 700 Menschen. Als dies bekannt wurde, verhärtete sich der Widerstand zum erbitterten Kampf um Überleben und Sieg. Denn auch 1572 war die übergroße Mehrheit der Niederländer noch immer gewillt gewesen, dem habsburgischen Herrscherhaus die Treue zu halten und einen vernünftigen Ausgleich zu finden. Nur eine eher kleine Minderheit hatte entschlossen zu den Waffen gegriffen und vorübergehend der Mehrheit ihren Willen aufgezwungen. Erst das Massaker von Naarden bewegte die bisher schweigende und tatenlose Mehrheit in den aufständischen Provinzen dazu, sich dem Aufstand anzuschließen.
Der Statthalter musste nun Stadt für Stadt belagern lassen und zur Kapitulation zwingen. Der Aufstand wurde für ihn ein zeit- und kostenaufwendiger Kriegszug. Die Belagerung Haarlems dauerte vom Dezember 1572 bis Juli 1573. Die spanischen Verluste betrugen 8.000 Söldner und wurden zum „Grab Spaniens“. Alkmaar wurde zwar am 21. August 1573 vollständig eingeschlossen; doch das Durchstechen der Deiche samt Überflutung der Stadt auf Veranlassung Wilhelm von Oraniens zwang die Spanier zum Belagerungsabbruch. Zwar gelang es 1573, die Aufständischen von der Landseite her militärisch einzudämmen, aber den Wassergeusen blieb der Seeweg und Nachschub von/nach England offen.

Inmitten der erbitterten Kämpfe um den Besitz der Städte trat Wilhelm von Oranien vorbildwirksam zum calvinistischen Glauben über. Viele Niederländer folgten seinem Beispiel, um auf diese Weise ihre Ablehnung der Herrschaft Philipp II. und ihren Wunsch nach religiöser und politischer Selbstbestimmung auszudrücken. Dennoch blieb die Mehrheit der Bevölkerung beim katholischen Glauben.
Wilhelm hatte lange mit dem Übertritt gezögert. Das mag daran gelegen haben, dass er seit seiner Regierungszeit wusste, dass es um die Wahrhaftigkeit der calvinistischen Prediger und Propagandisten nicht zum Besten bestellt war. Weder im Nachlass Karls V. noch in den Regierungsvollmachten Philipps II. war jemals die Einführung der spanischen Inquisition in den Niederlanden vorgesehen gewesen. Trotzdem wurde dies von den aus Frankreich in Scharen einreisenden hugenottischen Missionaren und Predigern ab 1560 hartnäckig und böswillig behauptet. Deren Ziel bestand offenbar darin, das wirtschaftliche Herz der spanisch-habsburgischen Macht zu treffen, indem die religiöse Einheit der Niederländer gesprengt wurde.
Genau wie in jeder anderen Glaubensgemeinschaft gab es unter den Katholiken temporäre und chronische Sünder. Der Sündenablass war durchaus unbequem, verlangte er doch mindestens nach Beichte, Buße und Reue für die Missetaten. War es da nicht viel bequemer, gleich zu der anderen Religion zu wechseln und auf diese Weise die Sünden samt Ablass hinter sich zu lassen? In der Anfangsphase der calvinistischen Missionierung waren die Konvertiten folglich eher Leute, die es mit der kirchlichen Ethik und den Gesetzen nicht so genau nahmen und im Calvinismus eine bequeme religiöse Zuflucht fanden. Ähnlich dürfte auch die Motivation der Wassergeusen gewesen sein, denn deren Kern hatte sich mit Freibeuterei und Seeraub – auch gegen niederländische Handelsschiffe – beschäftigt, was jetzt mit dem calvinistischen Glaubensbekenntnis höhere religiöse Weihen als fromme, gottgefällige Taten erhielt
Das alles waren sehr unschöne Dinge, die Wilhelm von Oranien auf keinen Fall seinen Anhängern offenbaren durfte, und er hoffte darauf, dass dies im schwungvollen Freiheitskampf niemals zur Sprache kommen würde.

Ohne Hoffnung auf Erfolg ersuchte der Herzog von Alba um seine Abberufung als Statthalter. Im Herbst 1573 trat Luis de Zuniga y Requesens mit neuen Vollmachten an seine Stelle. Im Namen Philipps II. bot er den Aufständischen, die zur Rückkehr zum katholischen Glauben bereit waren, Amnestie und Straffreiheit an. Zudem verlangte der Statthalter die jährliche Steuerzahlung von zwei Millionen Gulden an die Staatskasse. Im Gegenzug verlangten Hollands und Zeelands Vertreter den Abzug des spanischen Militärs, was der Statthalter ablehnen musste. Die Verhandlungen endeten ergebnislos.
Am 29.01.1574 unterlagen die spanischen Truppen den Wassergeusen bei Reimerswaal an der Scheldemündung, woraufhin Wilhelm von Oranien am 09. Februar die Stadt Middelburg einnehmen konnte. Dies war das Signal für Ludwig und Heinrich von Nassau-Dillenburg, zur Verstärkung ein neues Heer, bestehend aus 5.500 Infanteristen und 2.500 Kavalleristen, aus den nassauischen Stammlanden nach Holland zu führen. Doch die Schlacht auf der Mooker Heide an der Maas gegen zahlenmäßig unterlegene spanische Armeeverbände endete am 14.04.1574 mit einer katastrophalen Niederlage des Entsatz-Heeres. Hier bewies das spanische Heer noch einmal, dass es an Kampfkraft und Organisation die beste Armee der Welt war.

1574 belief sich die spanische Truppenstärke in den Niederlanden auf 86.000 Mann, die Kosten des monatlichen Unterhaltes auf 1,2 Millionen Gulden, was den spanischen Staatshaushalt einschließlich aller Kolonien weit überstieg. Außerdem hatte Philipp II. seit 1560 – als er die erst 14-jährige Tochter des verstorbenen französischen Königs Heinrich II., Elisabeth von Valois, ehelichte – durch jährliche Subsidien an den französischen Hof und die katholische Partei den Einfluss der Hugenotten zu schwächen versucht, die ihrerseits danach trachteten, die Niederlande aus dem Verbund mit Spanien zu lösen. Drei Hugenottenkriege hatten erhebliche Mittel verschlungen, und nach der Mordorgie der Bartholomäus-Nacht von 1572 bedurfte die französische Krone weiterer Unterstützung durch Spanien.

Die Regierung des Statthalters konnte den Vorteil des Sieges auf der Mooker Heide nicht nutzen. Obgleich ihre Verluste in der Schlacht nur gering waren, verweigerten ab dem 20. April spanische, deutsche und wallonische Kriegsknechte wegen der seit Monaten ausbleibenden Soldzahlung den Befehl. Plündernd und vergewaltigend zogen sie in Richtung Antwerpens, das als reichste Hafenstadt galt. Dem Statthalter standen keine Kräfte zur Verfügung, um den drohenden Raubzug zu verhindern. In dringlicher Verhandlung sagten die Stadträte Antwerpens die Zahlung von 500.000 Gulden für ausstehenden Sold oder ersatzweise hochwertige Stoffe aus Seide und Tuch zu. Nach der Übereinkunft begnadigte der Statthalter die Meuterer. Am 30.05.1574 fand in Antwerpen auf Kosten der Stadt ein gemeinsamer Versöhnungs-Gottesdienst und anschließend ein Festmahl statt. Im Schutze der Nacht überfielen die Wassergeusen das im Hafen liegende spanische Flotten-Geschwader und fügten ihm große Verluste zu.

Im September eroberten osmanische Truppen Tunis, das seit 1535 spanischer Stützpunkt zur Kontrolle des Umlandes gewesen war. Am 03. Oktober 1574 nahmen die Wassergeusen die Stadt Leiden ein, wobei sie den Spaniern große Verluste zufügten. Die Rückschläge auf den beiden Kriegsschauplätzen zwangen Philpp II. zum Einlenken. Er ermächtigte den Statthalter zu Friedensverhandlungen mit den Generalstaaten. Diese fanden ab 03 März 1575 in Breda statt. Zusätzlich zu dem früheren Angebot sollten die vom Herzog von Alba konfiszierten Adels-Güter zurück gegeben werden. Protestanten, die die Konversion zum Katholizismus verweigerten, sollten binnen sechs Monaten auswandern und ihren niederländischen Besitz im Laufe von acht bis zehn Jahren verkaufen (dürfen). Aber was bei den Moriscos von Granada einige Jahre vorher gefruchtet hatte, stieß bei den Niederländern auf taube Ohren. Sie lehnten das Angebot ab.
Die Verhandlungen wurden von einer kurzen Phase politischer Annäherung zwischen England und Spanien begleitet.Die beiden Mächte kamen überein, den Wassergeusen das Anlaufen englischer Häfen zu verbieten und die in die Niederlande geflohenen englischen Katholiken ins Ausland abzuschieben.

Philipp II. erklärte am 01. September 1575 den Staatsbankrott Spaniens. Die Börsenkurse in Antwerpen brachen ein. Niemand galt mehr als kreditwürdig, da nicht absehbar war, wessen offene Forderungen noch werthaltig und einbringlich waren. Wer Geld oder flüssiges Kapital besaß, hütete sich, es zu verleihen. Nur große Sicherheiten und. hohe Zinsen waren kredittauglich. Jeglicher Kapitalverkehr zwischen Bankiers und Börsen kam schlagartig zum Stillstand. Auch Zahlungs- und Vermögenstransfers aus Spanien oder anderen Staaten in die Niederlande wurden unmöglich.
Die seit Jahren anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise erfuhr mit der nun jäh einsetzenden Kreditklemme eine weitere Zuspitzung. Trotz der Geldnot ließ der Statthalter am 28. September die acht Monate währende Belagerung der Stadt Zierikzee beginnen und die benachbarten Städte Schouwen und Duiveland in Zeeland besetzen. Abweichend von der inzwischen üblichen Praxis hatte Philipp II. die Plünderung und Massakrierung von Zierikzees Bürgern nach der Einnahme ausdrücklich verboten, um nicht weiteren Unmut der Niederländer zu schüren.
Anfang März 1576 wurde der Statthalter wegen einer Meuterei in der Brüsseler Garnison in die Hauptstadt zurückgerufen und starb kurz darauf. Der kommissarische Staatsrat ließ die Belagerung Zerikzees fortsetzen, dessen Verteidiger am 29. Juni kapitulierten. Kurz darauf sperrten meuternde Soldaten die spanischen Offiziere in ihrem Quartier ein und plünderten Zierikzee trotz anders lautender königlicher Befehle. Die Meuterer beschlossen, sich an den Städten der Niederländer für ihren Sold schadlos zu halten und wählten als Ziel wieder die reiche Stadt Antwerpen. Aus dem Norden kommend, zogen sie durch Flandern und Brabant in den wohlhabenden Süden der Niederlande. Im Juli nahm eine plündernde Einheit ohne Gegenwehr die Stadt Aalst nahe Brüssel ein und massakrierte die gesamte Einwohnerschaft, um deren Besitz zu rauben.
Als Antwort darauf beschlossen die Generalstaaten am 26. Juli 1576 die allgemeine Volksbewaffnung, um jeden Spanier -ob Landsknecht oder Staatsbediensteten – zu vertreiben. Zudem warben sie deutsche und wallonische Söldner zum Kampf an. In Brüssel fand am 04. September 1576 ein Aufstand gegen die spanische Regierung statt. Daraufhin schlossen sich die spanischen Offiziere der Meuterei an. Im September befanden sich nur Brüssel, Holland und Zeeland fest in der Hand der Aufständischen. Wichtige Befestigungen wie die von Utrecht, Gent und Maastricht wurden weiter von disziplinierten spanischen Veteraneneinheiten gehalten, so auch die Zitadelle von Antwerpen.
Im Oktober 1576 wurden die Spanier mit Hilfe deutscher Söldner vorübergehend aus Maastricht vertrieben. Nach der erneuten Einnahme plünderten die Spanier die Stadt. Am 20. Oktober rückten 3.000 oder mehr Meuternde auf Antwerpen und erreichten am 03. November mit Verstärkungen die Zitadelle. Am 04. November begann von dort aus der Beschuss der Stadt mit Kanonen, bevor 5.000 spanische Infanteristen und 600 Kavalleristen zum Sturm und zur Plünderung Antwerpens gegen schwache Verteidigung antraten.Bis zum 06. November wurden 8.000 bis 10.000 Einwohner der Stadt massakriert oder hingerichtet. Überlebende des Kampfes wurden abgeschlachtet oder in der Schelde ertränkt. 600 bis 800 Häuser gingen in Flammen auf. Von den Behausungen der Stadt, die etwa 100.000 Einwohnern Obdach gaben, wurde ein Drittel – und mit ihnen unersetzliche Werte – zerstört. Wohlhabende Bürger wurden als Geiseln genommen, um von ihren Verwandten Geld zu erpressen.

Dieses gewalttätige Ereignis, später als „spanische Furie“ bezeichnet, schockierte die Niederländer. Selbst bisher wohlmeinende und loyale Katholiken und Anhänger des Herrscherhauses fanden keinen Halt mehr. So verwundert es nicht, dass am 08. November 1576 die Genter Pazifikation zustande kam, in der fast alle niederländischen Provinzen, auch die des katholischen Südens, ihre Bereitschaft zu wechselseitiger Hilfe erklärten, um die spanischen Truppen aus den Niederlanden zu vertreiben. Mit der „spanischen Furie“ fanden zehn Jahre dauernde Bemühungen Spaniens, die Herrschaft über die Niederlande zu behaupten, ein unrühmliches Ende. Der neue Generalstatthalter Juan de Austria musste schließlich die Pazifikation am 12. Februar 1577 in einem Edikt anerkennen, was den spanischen Truppenabzug einleitete.

Die Antwerpener konnten am 01. August 1577 durch Zahlung des ausstehenden Soldes und weiterer Lösegelder die Garnison der Zitadelle und andere Truppemteile zum Abzug aus der Stadt bewegen. Anschließend zerstörten sie die von den Spaniern erbaute Zitadelle vollständig.

Mit Don Juan de Austria (Johann von Österreich), der am 03.11.1576 in den Niederlanden eintraf und die Schrecken der „spanischen Furie“ selbst zu sehen bekam, glaubte Philipp II. den Fähigsten und Loyalsten für die Statthalterschaft gewonnen zu haben. Don Juans jugendliche Erscheinung umgab der Nimbus des Helden. Schon als 21-jähriger erhielt er 1568 von Philipp II. den Oberbefehl der spanischen Mittelmeerflotte. Unter seinem Oberkommando vernichteten die vereinigten Flotten der Heiligen Liga am 07. Oktober 1571 in der Seeschlacht von Lepanto die osmanische Kriegsmarine. Er verzichtete auf den ihm zustehenden Anteil an der Kriegsbeute zugunsten der Verwundeten und Versehrten. 1574 kommandierte er die Flotte, die Tunis für Spanien zurückeroberte. Selbst der Papst kam nicht umhin, dem jugendlichen Sieger zu schmeicheln und ihn für einen Königsthron zu empfehlen. Der zweite Wunsch des Papstes, Don Juan möge die im Londoner Tower schmachtende Maria Stuart aus dem Gefängnis befreien und ehelichen, erwies sich im weiteren als tödlich, denn Königin Elisabeth von England behielt von nun an jeden Schritt des Statthalters argwöhnisch im Auge.
Don Juan trat sein Amt ohne finanzielle Mittel und Zusagen an. Die sich ihm bietende Situation war katastrophal. Wie eine blutige Bestie hatten sich die desorganisierten Überbleibsel der spanischen Heeresmacht an den reichsten und am schwächsten verteidigten Plätzen der Niederlande tötend, raubend und vergewaltigend festgekrallt. Die Provinzen erklärten einhellig, dass sie diese Orgie der Gewalt nicht länger tatenlos dulden würden. Gab es unter diesen Umständen überhaupt noch eine Möglichkeit, wieder militärische Befehlsgewalt und Ordnung herzustellen? Offensichtlich konnte nur die Demobilisierung und Entfernung der demoralisierten Truppen aus den Niederlanden eine Lösung sein. Das war letztlich der ausschlaggebende Grund, warum Don Juan die Genter Pazifikation durch ein öffentlich verkündetes Edikt gut hieß.
Mangels finanzieller Regierungsmittel blieb nur der Weg, dass sich die besetzten Städte und Regionen selbst mit Lösegeldern und Leistungen von den militärischen Räuberbanden frei kauften. Der Statthalter konnte nichts weiter tun, als gemeinsam mit den Provinzialvertretern diesen Vorgang zu moderieren und für freie Abzugswege ins Ausland zu sorgen. Bald zeigte die Deeskalation erste Früchte, und Don Juan konnte am 01. Mai 1577 in Brüssel einziehen.
Die Aufständischen gerieten in Siegestaumel. Bei den Calvinisten mehrten sich radikale Tendenzen bis hin zur Beschneidung der Rechte von Katholiken. In Gent wurde eine calvinistische Stadtmiliz gegründet, die katholische Würdenträger verhaftete und sogar den Herzog Philippe III. de Croy, der maßgeblich für das Zustandekommen der Genter Pazifikation eingetreten war, vorübergehend einsperrte.
Die Hoffnungen der Generalstaaten auf weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Statthalter zerstoben, als dieser Ende Juli als Antwort auf die katholikenfeindlichen Aktionen überraschend die Zitadelle von Namur besetzen und als Fluchtort für sich herrichten ließ. Don Juan war es offenbar gelungen, aus den Lösevereinbarungen Geld herauszuschlagen. Mit Eigenmitteln und Krediten begann er heimlich, ein Heer im Feldlager bei Namur zu sammeln.

Philipp II. missbilligte dieses Unternehmen und verweigerte jegliche Soldzahlung dafür. Um die erneute Verschärfung des Konfliktes zu vermeiden, bat er im September 1577 Margarethe von Parma, wieder gemeinsam mit Granvelle die Statthalterschaft zu übernehmen, was beide ablehnten. Deshalb sandte Philipp II. Alexander Farnese, den Sohn der Herzogin von Parma, mit Verstärkungstruppen zu Don Juan, während dieser mit dem Ausbau seiner neuen Machtbasis fortfuhr. Im Dezember 1577 erklärten ihn die Generalstaaten zum öffentlichen Feind.
Trotz dieser Stigmatisierung des Statthalters suchte man weiter mit friedlichen Mitteln nach einer Konfliktlösung. Vor allem der religiöse Zwiespalt bot den größten Konfliktstoff. In den Nordprovinzen sahen sich Katholiken behindert wie umgekehrt auch Protestanten in den Südprovinzen. 1578 ergriff Wilhelm von Oranien, den die Genter Pazifikation als Statthalter Hollands und Zeelands anerkannt hatte, die Initiative für einen Religionsfrieden, ähnlich wie er 1555 in Augsburg geschlossen worden war. Doch die protestantischen Stände im Norden und die katholischen Stände im Süden verweigerten die Zustimmung. Nur Antwerpen, in dem beide Religionen stark vertreten waren, stimmte dem zu. Dennoch war Wilhelm von Oraniens Autorität so groß, dass man ihm die Statthalterschaft von Brabant antrug, womit er den Höhepunkt seiner Macht erreichte. Als er im Herbst 1578 nach Brüssel reiste, glich seine Ankunft einem Triumphzug. Die Menschen feierten ihn als Befreier und überragenden Politiker.

Farneses überragende militärische Befähigung zeigte sich erstmals in der Schlacht von Gemblours 1578 gegen das protestantische Heer. Dank seines Eingreifens fiel der Sieg an den schon länger erkrankten (und vermutlich vergifteten) Don Juan, der am 01. Oktober 1578 im Feldlager starb. Noch vor Juan de Austrias Tod gelang die Einnahme von Leuwen in Brabant.
Alexander Farnese hatte am spanischen Hof gemeinsam mit Infant Don Carlos und Don Juan, die im gleichen Alter wie er waren, eine gediegene Ausbildung erhalten. Im Unterschied zu seinen Vorgängern besaß er noch keine Meriten. Sein größter Vorteil bestand darin, dass er in seiner Jugend – während der Statthalterschaft seiner Mutter – längere Zeit in den Niederlanden geweilt hatte, die Sprache beherrschte und aufgrund der inzwischen eingetretenen gravierenden Veränderungen gezwungen war, in die Abgründe der Ereignisse zu schauen, um die aktuelle Situation zu verstehen.
Seine Vorgänger waren alle gescheitert: Der Herzog von Alba durch Abberufung nach 69 Monaten, Luis de Zuniga y Requesens nach 29 Monaten durch Tod und Don Juan de Austria nach 23 Monaten (davon nur 14 Monate im Vollbesitz seiner Kräfte) durch Tod. Das spanische Imperium schien in den Niederlanden seine besten Männer zu verlieren.

Nach der Ernennung zum Nachfolger wuchs Alexander Farnese mit seinen Aufgaben wie kein Anderer vor ihm und wurde für Wilhelm von Oranien zu einem ebenbürtigen Gegner. So als habe er alle Fehler seiner Mutter, des Herzogs von Alba und des Luis de Zuniga y Requesens ebenso tiefgründig studiert wie die Lehren Macchiavellis. Er vermochte jeden Interessenunterschied oder -gegensatz bei den Niederländern zu erkennen, ob nun religiöser, politischer oder wirtschaftlicher Natur, und dies durch vielfältige Zugeständnisse, Überzeugungskraft, Bestechung oder Druck auszunutzen. Die Teilung der Niederländer entlang der Konfessionen wurde sein erfolgreichster Ansatzpunkt, um die Zwietracht zu stärken.
Zunächst strebte er danach, die katholischen, wallonischen Provinzen wieder stärker unter seinen Einfluss zu bringen.
Am 06. Januar 1579 schlossen sich die Provinzen Artois und Hennegau gemeinsam mit einigen Städten zur „Union von Arras“ zusammen. Die Union erkannte ausdrücklich Philipp II. als Staatsoberhaupt an und forderte den Katholizismus als Staatsreligion der Niederlande. Für den Staatsrat sollten wieder die Regelungen gelten, die schon zu Zeiten Karls V. bestanden. Die Stationierung fremder Truppen wurde ausdrücklich abgelehnt.
Darauf hin unterzeichneten am 23. Januar 1579 Vertreter von nördlichen Provinzen und Städten den Vertrag von Utrecht (Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Teile Gelderns, später auch Overijssel, Friesland und die Städte Groningen, Gent, Brügge, Ypern, Breda, Lier und Antwerpen). Jede Provinz erhielt das Recht, über seine religiösen Regeln selbst zu bestimmen; ebenso über Belange der Verwaltung und Finanzen. Dadurch gewannen lokale Sonderinteressen eine große Bedeutung, was die gemeinsame Finanzierung und Organisation militärischer Unternehmen wesentlich erschwerte.
Die Utrechter Union war der Vorläufer der „Republik der Sieben Vereinigten Niederlande“, die sich zum Protestantismus bekannten und 1581 ihre Unabhängigkeit von Spanien proklamierten.

Im Mai 1579 erklärten die zehn südlichen Provinzen den „Frieden von Arras“, worin ausdrücklich Philipp II. als Oberhaupt und die Rechtmäßigkeit der von ihm eingesetzten Regierung anerkannt wurde. Von der sicheren spanischen Basis um Luxemburg aus konnte Farnese im Juni 1579 noch Maastricht erobern, bevor Philipp II. ihm die Gelder für weitere Offensiv-Operationen sperrte. Zu diesem Zeitpunkt kontrollierte der Statthalter die Gebiete der Union von Arras und östlich davon Regionen zwischen Leuwen, Maastricht und Luxemburg. Große Gebiete nördlich der Maas wurden von der Union von Utrecht beherrscht. Zwischen beiden Machtzentren erstreckte sich weite Gebiete des „Niemandslandes“, in dem nur große einzelne Städte wie Brüssel, Brügge, Gent und Antwerpen die Zugehörigkeit zur Union von Utrecht erklärt hatten.

Am 15. März 1580 erließ Philipp II. ein Bann-Edikt gegen Wilhelm von Oranien, wodurch dieser geächtet wurde. Doch anstatt dessen Autorität zu untergraben, trat das Gegenteil ein. Grund für Philipps Edikt dürften die heimlichen Vorgespräche des Geächteten am französischen Königshof gewesen sein, über die ihm Vertrauensleute bei Hofe berichteten.
Am 23. Juni 1580 traf Margarethe von Parma wieder als Statthalterin in Luxemburg ein und reiste weiter nach Namur. Obwohl Alexander Farnese – ihr Sohn – nicht bereit war, seine Vollmachten auf das Militärische zu beschränken, stand ihm jetzt eine wissende und erfahrene Regentin aus früherer Zeit zur Seite. Auch mit jenem Wissen ausgestattet, das Wilhelm von Oranien sorgfältig zu verbergen suchte. Schnell wurde klar, dass Alexander seine Mutter zwar als Ratgeberin schätzte, aber keinesfalls als Statthalterin amtieren lassen wollte. Sie hingegen stellte fest, dass ihr Sohn bereits über alle Gaben für eine erfolgreiche Statthalterschaft verfügte und suchte beim König um ihre Entlassung nach. Da Philipp II. nach der Eroberung Portugals von 1580 durch den Herzog von Alba auch in den Niederlanden Größeres plante, lehnte er das Gesuch zunächst ab. Erst im Juli 1583 entband er sie von den Vollmachten.

Für die einheitliche Willensbildung der Generalstaaten der Niederlande war die Bildung zweier gegensätzlicher Pole in Gestalt der beiden Unions-Verbünde ein schwerer Schlag. Endlose Streitereien waren unter diesen Umständen absehbar. Vielleicht lag auch die völlige Ohnmacht der Generalstaaten im Interesse Wilhelms von Oranien und Alexanders Farnese?
Auf Initiative und unter dem Druck der Utrechter Union schlossen sie am 29. September 1580 einen Vertrag mit dem Herzog von Anjou, dem Bruder des französischen Königs, der dem Herzog die Souveränität der Niederlande übertragen sollte.
In Den Haag unterzeichneten am 26.07.1581 die Vertreter der Generalstaaten der sieben nördlichen Provinzen die offizielle Erklärung der Unabhängigkeit der Vereinigten Niederlande, mit der auch Philipp II. als Staatsoberhaupt abgesetzt wurde. Wilhelm von Oranien wurde zum Statthalter ernannt und Franz von Anjou zum neuen Landesfürsten gewählt. Das nahm Philipp II. zum Anlass, ein hohes Kopfgeld für die Tötung des Usurpators Wilhelm auszusetzen. Franz von Anjou erreichte am 10. Februar 1582 mit seinem Gefolge Vlissingen und wurde dort durch Wilhelm von Oranien zum ersten neuen Souverän erklärt. Neun Tage später erhielt er in Antwerpen auch den Titel des Herzogs von Brabant. Der neue Landesfürst häufte zwar gerne die angebotenen Titel und Pfründe an, doch brachte er den Lebensbedürfnissen der Niederländer, insbesondere den brisanten Religionsfragen, wenig Interesse entgegen. Kritik an der übermäßig Frankreich-freundlichen Politik des Statthalters – vor allem aus Holland und Zeeland – ließ nicht lange auf sich warten, was dessen Autorität abträglich war.
Am 28. März 1582 misslang ein Mordanschlag. Wilhelm von Oranien erlitt zwar schwere Verletzungen, gesundete aber wieder.

Mitte 1582 kehrten die Eliteverbände des Spanischen Heeres in die Niederlande zurück. Unter Alexander Farneses Oberbefehl gingen sie zielstrebig in die Offensive, um Flandern und Brabant zu erobern. Das endlich eintreffende Heer Franz von Anjous besaß nicht die erhoffte Kampfkraft, um die Spanier entscheidend aufzuhalten. Das schien auch gar nicht im Interesse des gewählten Landesfürsten zu liegen, der lieber Gebiete einnehmen ließ, die ihm ohne Gegenwehr Machtzuwachs versprachen. Das jedoch stieß weder auf die Zustimmung der Provinzen, auf die Farneses Kriegszug zielte, noch bei denen der Vereinigten Niederlande. Statt der Lichtgestalt wurde Franz von Anjou mit seinen Truppen plötzlich zum unerwünschten Aggressor der Niederländer, der von allen Seiten heftig bekämpft wurde und letztlich abziehen musste. Ein schwerer Schlag auch für das Renommee Wilhelm von Oraniens, dessen Politik damit scheiterte.
Damit war der Weg für Alexander Farneses Truppen frei. Tournai, Gent, Brügge und Breda öffneten ihm die Tore. 1584 hatte er 61.000 Soldaten zur Verfügung, deren Marschwege und Versorgungsstrecken sorgfältig gesichert und befestigt wurden. Beim Vordringen auf Brüssel und Antwerpen waren die Truppen gut ausgerüstet und versorgt. Den Höhepunkt der Kämpfe bildete die 1584 beginnende Belagerung von Antwerpen, das am 15. August 1585 kapitulieren musste. Erst nachdem auf der 720 Meter breiten Schelde durch eine mit Kanonen gesicherte Schiffsbrücke der Versorgungsweg der Belagerten dauerhaft unterbrochen war und jeder Durchbruchsversuch von den Spaniern abgewehrt wurde, ermüdeten die Verteidiger und gaben – nach dem Fall Brüssels demoralisiert – schließlich auf.
Allen Befürchtungen der Bewohner zum Trotz hatte der Befehlshaber jegliche Plünderung Antwerpens untersagt, woran sich die disziplinierten kastilischen Truppen auch ausnahmslos hielten. Der protestantische Bevölkerungsteil sollte die Stadt binnen zweier Jahre verlassen. Insgesamt verließen etwa 60.000 Protestanten Antwerpen in Richtung Norden und siedelten sich vorwiegend in und um Amsterdam an, was dessen späteren Wohlstand begründete.Die Vereinigten Niederlande blockierten ihrerseits nach der Kapitulation dauerhaft für mehr als hundert Jahre die Scheldemündung, so dass Antwerpen keinen Meereszugang mehr hatte und vom Welthandel ausgeschlossen wurde.

Franz von Anjou, der nicht-erbliche, als Landesfürst gewählte Monarch, hatte die Niederlande 1583 wieder verlassen, ohne den ihm auferlegten Pflichten nachzukommen. Die Generalstaaten erwogen nun die Wahl Wilhelms von Oranien, der jedoch ablehnte, da ihm die Wahl eines neuen Monarchen mit starker auswärtiger Hausmacht zum Schutze der Sieben Provinzen vorschwebte. Franz von Anjou starb am 10. Juni 1584 in Chateau-Thierry im Alter von 29 Jahren.
Am 10. Juli 1584 brachte ein neuer Mordanschlag in der Residenz von Delft Wilhelm von Oranien den Tod. Für die Niederländer des Nordens starb der Führer ihres Freiheitskampfes, der Nationalheld, dem sie die Freiheit verdankten und stets ehrend gedenken wollten.
Aus Philipps II. Perspektive hatte ein treubrüchiger Hochverräter die verdiente Strafe Gottes empfangen, dessen Werkzeug der Katholik Balthasar Gerard war.

In den nachfolgenden Monaten blieben alle Bemühungen der Generalstaaten und des „Landrat“, an den Höfen Frankreichs oder Englands einen neuen Kandidaten für die Fürstenwahl zu gewinnen, vergebens. Weder Heinrich III. von Frankreich noch Elisabeth I. von England wollten Philipp II. auf diese Weise herausfordern. Zu mächtig war inzwischen der bewaffnete Auftritt Alexander Farneses in den Niederlanden, dessen militärischen Genius nichts aufzuhalten schien. So blieb den Sieben Vereinigten Niederlanden vorerst keine andere Möglichkeit als die republikanische Staatsform, in der das Volk die Souveränität selbst beanspruchte und ausübte.
Erst als die spanische Macht dahin schwand, konnten die Niederländer wieder eine konstitutionelle Monarchie als Staatsform erwägen. So unglaublich es auch anmuten mag, Alexander Farnese wurde durch die von ihm verursachte Notlage zu einem Geburtshelfer der Republik der Niederlande.

Der 80-jährige Krieg der Niederlande mit der Großmacht Spanien endete erst 1648 mit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück, in dem die staatsrechtliche Unabhängigkeit der Niederlande von Spanien und dem Heiligen Römischen Reich anerkannt wurde. Schon während des Krieges und erst recht danach entwickelten die Niederlande ein wachsendes wirtschaftliches und militärisches Potential, das sie in den Rang einer europäischen Großmacht erhob.
Wer nun glaubte, dass die unabhängigen Niederländer als Fischer und Händler friedlich die Meere befahren und das humanistische Vermächtnis des Erasmus von Rotterdam hochhalten würden, sah sich bald getäuscht. Nach dem missglückten Versuch, ab 1635 gemeinsam mit Frankreich den spanisch beherrschten Teil der Niederlande zu erobern, wurde die Ausnutzung des französisch-habsburgischen Gegensatzes in Europa bestimmend für die niederländische Politik. Allein im 17. Jahrhundert nahmen die Niederlande aus solchen Erwägungen und auch Motiven des Kolonialerwerbs nach dem Westfälischen Frieden an folgenden europäischen Kriegen teil:
1652 bis 1654: Erster Englisch-Niederländischer Krieg (Niederlage, Frieden von Westminster, britischer „Navigation Act“ sollte fortan respektiert werden.)
1665 bis 1667: Zweiter Englisch-Niederländischer Krieg (Sieg, Frieden von Breda)
1672 bis 1674: Dritter Englisch-Niederländischer Krieg (Sieg, Frieden von Westminster)
1672 bis 1678: Krieg gegen Frankreich (Niederlage – Frieden von Nimwegen)
1686 bis 1697: Krieg gemeinsam mit der Liga von Augsburg (Kaiser und Reich, Bayern, Brandenburg, Spanien, Schweden und England) gegen Frankreich (Frieden von Rijswijk).

Schon 1595 hatte eine niederländische Handelsflotte Java erreicht und erzielte mit Muskatnüssen und Gewürznelken bei der Heimkehr horrenden Profit. Von nun an reisten Jahr für Jahr konkurrierende Handelsflotten um das Kap der Guten Hoffnung nach Indonesien. 1602 wurde die niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) als Seefahrts- und Handelsmonopol gegründet und mit Souveränitätsrechten (Berufung von Gouverneuren, Aufstellung von Armeen und Ausrüstung von Kriegsschiffen) ausgestattet. 1613 erfolgte die Gründung Batavias auf Java, um den Gewürzhandel zu kontrollieren. 1621 verübte die VOC einen Völkermord an der Bevölkerung in Banda, die sich weigerte, auf ihrer Insel der Plantagenbewirtschaftung für Muskatnüsse in Monokultur zuzustimmen. Darauf hin wurde die gesamte Bevölkerung (ca. 15.000 Menschen) getötet, das Land parzelliert und an Holländer verkauft, die es mit Sklaven bewirtschafteten. 1641 eroberte die VOC das portugiesische Malakka und 1663 die portugiesischen Stützpunkte auf den Molukken. 1652 gründete Jan van Riebeeck Kapstadt. Zur gleichen Zeit entstand die Kap-Kolonie der VOC, und es begann die Besiedlung durch die Buren.

Am 03. Juni 1621 wurde nach ersten Forschungsreisen in Richtung des Atlantiks die niederländische Westindien-Kompanie (WIC) nach dem Vorbild der VOC gegründet. Der Gründungsvertrag hielt ausdrücklich fest, einen Frieden mit Spanien zu verhindern, um Überfälle auf die jährlichen Silberflotten Spaniens zu legitimieren. Seeraub als Geschäftszweck! 1624 erfolgte die Gründung von Neu-Amsterdam, das 1664 unter dem Namen New York in englischen Kolonialbesitz überging. 1629 eroberte die WIC Gebiete um Recife/Brasilien. Von 1637 bis 1641 entriss die WIC den Portugiesen weitere Gebiete Brasiliens um Recife herum. Diese wurden zur Kolonie Niederländisch-Brasilien zusammengefasst. Erst 1661 gelang Portugal dessen Rückgewinnung. Während des Kolonialkrieges in Brasilien gründeten von den portugiesischen Plantagen geflohene Sklaven im Küstenhinterland das Palmenreich „Palmares“.
1637 nahm eine WIC-Flotte die portugiesische Festung Sao Jorge da Mina in Guinea ein. In Ghana wurden ebenfalls Stützpunkte – speziell für den Sklavenhandel – eingerichtet. 1667 eroberte die WIC in Surinam englischen Besitz (Tausch gegen Neu-Amsterdam). In Curacao (Niederländische Antillen) richtete sie ab 1668 ihr karibisches Sklaven-Depot ein. Von 1674 bis 1740 betrieb die Kompanie 383 Sklaven-Schiffe, die insgesamt etwa 220.000 Sklaven in die Karibik brachten und für die Rückfahrt in die Niederlande Zucker, Rum und andere Kolonialwaren als Ladung an Bord nahmen.

Man erkennt daraus, dass die Niederländer ihre Lektion aus der Krise von 1558 gelernt hatten, nämlich selber die Kontrolle über die Handelsrouten und Märkte zu übernehmen. Als neuer Konkurrent mussten sie zwangsläufig den alten Kolonial-Monopolisten aggressiv die Stellung streitig machen, woraus entlang der Weltmeere Kriege auf vielen Schauplätzen – vor allem mit Portugal – erwuchsen, das zuvor den Gewürzhandel kontrollierte. Dabei stieß es auch mit dem neu nach Kolonialbesitz strebenden England zusammen, so dass die Kolonialkriege hinsichtlich Dauer und Ausdehnung das Ausmass eines Weltkrieges annahmen.
Angesichts der „Geschäftstätigkeit“ der VCO und der WIC – wofür hatten die Niederländer eigentlich so hartnäckig im Gewand des Calvinismus gekämpft? Um die Freiheit, nach Belieben und den gegebenen Machtverhältnissen Profite zu machen und dabei andere Völker auszuplündern, zu versklaven oder zu töten. Sie wollten dabei nicht länger hinter anderen zurückstehen oder an die relativ vernünftige Rechtsetzung eines großen Reiches gebunden sein. Profit über alles!.

Abschließend noch folgendes:
Nachdem der russische Zar, Iwan IV., 1552 das Khanat Kasan erobert und 1556 das Khanat Astrachan seinem Reich eingegliedert hatte, erwartete der christliche Westen, dass er als nächstes gegen das Khanat Krim ziehen werde. Zweifellos hätte ihm diese Entscheidung den Ruf eines Helden der Christenheit eingebracht, anstatt später als „der Schreckliche“ tituliert zu werden. Dazu hätte er bereit sein müssen, ein politisches und militärisches Bündnis mit den österreichischen und spanischen Habsburgern einzugehen, um gemeinsam das Osmanenreich zu besiegen und den Zugang vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer an den Meerengen frei zu kämpfen.
Doch um die diplomatischen Beziehungen war es damals schlecht bestellt. Im Streben nach einem sicheren westlichen Handelsweg entschied der Zar stattdessen, den schwächsten der christlichen Anrainer des Baltischen Meeres, den Ordensstaat von Livland, zu erobern, wodurch er Russland in eine 24 Jahre andauernde Kriegszeit gegen christliche Königreiche (Schweden, Litauen, Polen) verstrickte, die ebenfalls nach Macht- und Territorialzuwachs oder -sicherung strebten. Obendrein zerstörte er dadurch die bereits bestehenden Handelsrouten.
Seine Bitte um päpstliche Friedensvermittlung mit Schweden und Polen von 1581 darf als stilles Eingeständnis eines großen politischen Fehlers verstanden werden. Um Wiedergutmachung bemüht, ließ er kurz vor seinem Tod 1584 die Hafenstadt Archangelsk als Tor zum Westen gründen und unterstützte den Kosaken-Ataman Jermak bei der Eroberung des Khanats Sibir.
Hätte Iwan IV. 1558 die Krim als nächstes Kriegsziel gewählt, so wäre den Niederlanden die schwere Wirtschaftskrise der Folgejahre erspart geblieben. Sie hätten im Verbund mit Spanien und dem Heiligen Römischen Reich trotz religiösen Zwiespaltes weiter prosperieren und produktive Kräfte entfalten können, die so erst im 17. und 18. Jahrhundert zum Vorschein kamen.

7 Gedanken zu „HPB – Die Niederlande – Befreiungskrieg ohne Befreiung“

  1. Hallo,
    die Seite ist seit gestern auf normalem Wege nicht mehr erreichbar. Einzig via Opera mit eingeschaltetem VPN
    funktioniert es schnell und zuverlässig.
    Liegt eine Blockierung von hiesigen ISPs vor?

  2. Herzlichsten Dank HPB für diesen Teil der Geschichte und Ihre vielen Bemühungen.
    Ihre Artikel lesen sich wesentlich spannender als jedes Buch.
    Meine allergrößte Hochachtung.
    Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Teil.

    1. @ alligator79

      Danke für das Lob. Ich habe mich noch um die englische Revolution „gekümmert“.
      Wenn Russophilus das Material in den nächsten Monaten mit veröffentlicht, haben wir ein ganz passables historisches „Begleit-Bild“ zum Brexit.

  3. Bei meinen Recherchen suchte ich – leider vergeblich – nach Hinweisen, was eigentlich Wilhelm von Oranien zu seinen Handlungen antrieb. Welche Motivation?
    Wohlmeinende Geister kommen vermutlich auf die Idee, er habe einen „besonderen Draht“ zum „lieben Gott“ gehabt, der seien Schritte lenkte.
    Ich halte ihn für den Typus des Usurpators, des lavierenden, opportunistischen Abenteurers, der sich ohne feste Prinzipien von der „Gunst der Stunde“ treiben lässt und schon vielfach in der Geschichte auftrat. Beispiele dafür sind Angela Merkel, die Wolfgang Schäuble als CDU-Parteivorsitzende „beerbte“, Pippin, der letzte Hausmeier der Merowinger, der 751 die Dynastie der Karolinger begründete oder Muhammad ibn Abi Amir, der im maurischen Spanien als Sekretär der Hofkanzlei zum Kämmerer und schließlich 978 zum unumschränkten Regenten des Kalifats von Cordoba unter dem Beinamen Al Mansur aufstieg.

    Auch in der indischen Geschichte tauchte dieser Typus in Gestalt von Schiwadschi auf, der die Macht des Mogulkaiser Aurangzebs bestritt und um 1645 den Marathenstaat gründete.

    Über die Motive Wilhelms I. von Oranien kann ich nur spekulieren.
    Als Kaiser Karl V. abdankte, genoss der erst 22-jährige Wilhelm bei ihm eine außergewöhnliche Vertrauensstellung, auf die der sechs Jahre ältere Philipp vermutlich ein wenig eifersüchtig war. Infant Philipp – in Spanien lebend – hatte seinen Vater viele Jahre vermisst, während dieser junge Niederländer so eng und vertraut mit dem Vater arbeiten durfte.
    Unter den deutschen Fürsten und im Hause Habsburg galt Philipp als unnahbarer Sonderling, der sich für etwas Besseres hielt. Dieser durchaus falsche Eindruck entstand bei den Reichstagen, zu denen er den Kaiser begleiten durfte, weil er nur spanisch sprach und lieber der Kommunikation mit den anderen Teilnehmern aus dem Wege ging, anstatt einen „Bock“ zu schießen. Ein zurückhaltender junger Mann, der unter politisch komplizierten Umständen keinen Fehler machen wollte.
    Dennoch übertrug er Wilhelm die Statthalterschaft für die drei niederländischen Provinzen.

    Aber Eifersucht und Misstrauen Philipps sind zu schwache Motivatoren für eine gefestigte Persönlichkeit. Es muss folglich auf Wilhelms Seite noch andere, stärkere Motive gegeben haben, die sich aus Versäumnissen oder Heimlichkeiten im Sinne eines Kodex-Bruches speisten. Dass er über höhere wirtschaftliche Einsichten zu den ökonomischen Folgen der Reformation in den nassauischen Stammlanden um Dillenburg verfügte, halte ich für eher unwahrscheinlich.
    Aber es ist möglich, dass er Verbindungen zu Vertretern des Reformation im HRR und in Frankreich aufnahm, die angesichts seiner lauthals verkündeten katholischen Konfession für anrüchige Zwecke sprachen. So z. B. zu Admiral Coligny, dem Oberhaupt der französischen Hugenotten, während der Waffenstillstandsverhandlungen 1555? 1583 heiratete er zum vierten Mal, und zwar Luise de Coligny, eine Verwandte des Admirals.

    In der Regel geht einem Kodex-Bruch zunächst eine kleine Unstimmigkeit, ein Versagen bei der Erfüllung einer Pflicht, voraus. Im Bestreben, Recht zu behalten, wird die Unstimmigkeit, der Fehler, nicht bereinigt, sondern darauf beharrt, dass das in Ordnung sei. Um diese Haltung zu bekräftigen folgt die nächste (ungestrafte) Fehlhandlung und immer so weiter, bis man sich durch solche Handlungen auf dem „Irrweg“ selbst festgenagelt hat. Ein Verhalten, dass sich auch bei politischen Parteien oder solchen Gruppen wie der Antifa beobachten und nur schwerlich von selbst korrigieren lässt. Aber es lässt sich von „interessierter Seite“ im Sinne einer „Dressur“ bzw. eines „Dompteurs“ leicht ausnutzen.

  4. Werter HPB.
    Ich verfolge Ihren Exkurs in und durch die Geschichte mit allergrösstem Interesse. Ich freue mich über jeden neuen Teil Ihrer Ausführungen. Auch Ihre ausführlichen Ergänzungen in den Kommentaren finde ich grossartig.

    Gruss und ein dickes Dankeschön an Sie.

  5. Dank Paul-Wilhelm Hermsens Quellen-Hinweis konnte ich nun noch etwas über die Ankunft der Juden in Holland nachlesen.

    http://www.zeno.org/Geschichte/M/Graetz,+Heinrich/Geschichte+der+Juden/Dritter+Zeitraum/Vierte+Periode/%5B2.+Epoche.%5D+Epoche+neuer+Wanderungen+und+Ansiedlungen/13.+Kapitel.+Ansiedelung+der+Juden+in+Holland

    Daraus ergeben sich durchaus wissenswerte Rückschlüsse. Bei den jüdischen Zuwanderern handelte es sich um reiche portugiesische Marranen – also Leute die vorgaben, Katholiken zu sein, aber heimlich den jüdischen Ritus zu praktizieren. Sie hatten dem Druck der katholischen Kirche und der Inquisition nachgegeben und waren formal zum Katholizismus übergetreten.
    Philipp II. von Spanien konnte sich Hoffnungen auf den portugiesischen Thron machen, wenn der portugiesische König ohne männlichen Thronerben verstarb. Seine Mutter, die Gemahlin Karls V., war ja eine portugiesische Prinzessin gewesen. 1580 war es dann soweit, der portugiesische Thron war verwaist. Philipp erhob seine Ansprüche gegen die des portugiesischen Prätendenten. Er entschloss zu einem militärischen Zug nach Lissabon, holte dazu den in den Niederlanden gestrauchelten Herzog von Alba aus der Verbannung zurück und befahl ihm, die Sache in die Hand zu nehmen.

    Was das Militärische betraf, war der Herzog ein fähiger Stratege. Schon 1554/55 hätte Karl V. lieber auf ihn hören sollen, anstatt die von den Franzosen besetzten Festungen von Metz und Toul zu berennen und dort zu verbluten. Jedenfalls bereitete der Herzog von Alba den Kriegszug schnell und sorgfältig vor. Die Operationen verliefen überaus erfolgreich, was dem alten Haudegen seinen inneren Frieden wiedergab und Philipp II. noch im gleichen Jahr die Herrschaft über Portugal einbrachte.

    Für die portugiesischen Juden begann nun eine schwierige Zeit, weil die spanische Inquisition schon auf dem Sprung nach Portugal stand und der religiöse Druck zunahm (auswandern oder scheinbar konvertieren). In Anbetracht des kolonialen Reichtums Portugals und der schönen Geschäfts- und Teilhabe-Möglichkeiten zog mancher die formale Konversion zum Katholizismus vor. Aber das minderte den religiösen Druck nicht. Im Gegenteil. Die Kirche versuchte, hinter die religiöse Fassade zu blicken und den Kern der wahren Religion des Konvertiten auszumachen. Gewiss gab es auch ein paar Schauprozesse, um den Verdächtigen mächtig Angst zu machen und eine echte Konversion zu bewirken.

    Jedenfalls wurde der seelische Druck so groß, dass auch Marranen nach Nordafrika oder anderswohin auszuwandern gedachten. 1593 setzte sich ein erster Familienzweig in Richtung Holland in Bewegung, um dort wieder den jüdischen Glauben praktizieren zu können. Die protestantischen Niederländer waren zwar davon nicht begeistert, aber immerhin handelte sich um Flüchtlinge aus Philipps Machtbereich, denen sie gerne helfen wollten.

    Wie sich herausstellte, waren die Flüchtigen in Portugal überaus wohlhabend gewesen und verstanden sich darauf, ihren Reichtum in geeigneter Weise in die neue Heimat zu transferieren. Den ersten Marranen folgten weitere und mit ihnen ein anschwellender Kapital-Zufluss, der die zukünftige Rolle der Niederlande als Wirtschaftsmacht maßgeblich mit bestimmte.
    Wie gesagt, entstammte dieser Reichtum zu großen Teilen den Geschäften im portugiesischen Kolonial-Imperium, der nun nach Holland floss. Mit dem Handelskapital floss den Holländern auch das Wissen zu, wo der Reichtum zu ergattern ist. Deshalb startete 1595 die erste See-Expedition nach Java, um später den Portugiesen das Handelsmonopol mit den Gewürzinseln (Molukken) streitig zu machen.

    Diese Einflüsterungen und Hinweise trieben die Niederlande schließlich in einen Jahrzehnte währenden Kolonialkrieg mit Portugal, der sich sowohl in Brasilien (um Recife…) und in Asien abspielte (wie oben ausgeführt).

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